Viertagewoche: Zukunftsmodell oder heiße Luft?

Daily Business 4 min Lesedauer 27.12.2024
Eine Frau prüft Rohre und Leiter

Vier Tage arbeiten, drei Tage frei haben – viele Beschäftigte finden das attraktiv. Aber kann ein solches Arbeitsmodell in kleinen und mittleren Unternehmen überhaupt funktionieren?

In den Medien ist sie zunehmend präsent – doch noch ist die Viertagewoche in der Arbeitswelt nicht weit verbreitet. Laut einer Randstad-Ifo-Umfrage bieten erst 11% der Unternehmen in Deutschland dieses Arbeitsmodell an.

Die Viertagewoche gibt es in diesen Formen:

  • Modell 1: Vier Tage arbeiten mit reduzierter Wochenarbeitszeit und entsprechend weniger Gehalt,
  • Modell 2: Vier Tage arbeiten ohne Abstriche bei der Wochenarbeitszeit mit vollem Gehalt,
  • Modell 3: Vier Tage arbeiten mit reduzierter Wochenarbeitszeit und vollem Gehalt.
     

Der Umfrage zufolge verzichtet mit 51% mehr als die Hälfte der Mitarbeitenden für die Viertagewoche auf einen Teil ihres Gehaltes. Weitere 39% leisten ihre volle wöchentliche Arbeitszeit in vier statt bisher fünf Tagen. Lediglich 10% können ihre Arbeitszeit bei vollem Lohn reduzieren.

Welche positiven Effekte eine Viertagewoche haben kann

Eine Viertagewoche kann eine Reihe von positiven Effekten mit sich bringen – sowohl für Mitarbeitende als auch für Unternehmen.

Mitarbeitende

  • haben neben ihrem Beruf mehr Zeit für ihre privaten Interessen,
  • können sich an drei freien Tagen besser erholen und sind dadurch tendenziell fitter und zufriedener,
  • können in der Familie, zum Beispiel im Haushalt, mehr Aufgaben übernehmen und damit die Partnerin oder den Partner entlasten.
     

Unternehmen

  • profitieren von zufriedenen und erholten Mitarbeitenden, weil sie womöglich effizienter und engagierter arbeiten – das kann die Produktivität steigern,
  • verzeichnen vermutlich weniger krankheitsbedingte Fehlzeiten von Mitarbeitenden und können so das Abarbeiten von Aufträgen besser planen,
  • können sich als attraktiver Arbeitgeber präsentieren, der die Work-Life-Balance von Mitarbeitenden im Blick hat – gerade in Zeiten von Fachkräftemangel kann das ein Pluspunkt sein und Mitarbeitende binden.

Was gegen eine Viertagewoche spricht

Eine Viertagewoche kann aber auch von Nachteil sein. Nicht jede und nicht jeder kann bei einer Reduzierung der Wochenarbeitszeit auf ein Teil des Gehalts verzichten. Zudem kann eine volle Wochenarbeitszeit verteilt auf vier Tage physisch und psychisch sehr erschöpfend sein – denn die Arbeitszeit an vier Tagen verlängert sich ja in den allermeisten Fällen von acht auf zehn Stunden. Auch Betriebe sind bei diesen Modellen weniger flexibel, weil sie unter Umständen nötige Mehrarbeit über zehn Stunden hinaus arbeitsrechtlich nicht anordnen dürfen.

Welche Voraussetzungen es für eine Viertagewoche gibt

Damit eine Viertagewoche gelingen kann, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein, wie eine Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung aufzeigt. Für den Fall einer Reduktion der Wochenarbeitszeit müssen demnach die arbeitsorganisatorischen Strukturen angepasst werden. Bleiben Arbeitsmenge, Arbeitsabläufe sowie eine implizit erwartete Erreichbarkeit unverändert, werden die Vorteile einer Arbeitszeitreduktion unterlaufen. Nötig ist also eine reale Arbeitszeitreduktion. Um diese wirkungsvoll umzusetzen, braucht es

  • verbindliche Vertretungsregelungen,
  • gegebenenfalls mehr Personal,
  • eine angepasste Arbeitsorganisation, etwa Erreichbarkeitsregeln,
  • eine verringerte Arbeitsmenge, zum Beispiel durch Automatisierungsprozesse.
     

Tipp: Testphasen ohne verbindlichen Charakter im jeweiligen Betrieb können helfen auszuloten, ob eine Viertagewoche machbar ist oder nicht.
 

Nicht für jeden Betrieb ist die Viertagewoche eine realistische Option

Klar ist aber auch: Ob eine Viertagewoche realistisch ist, hängt von Faktoren wie der Branche, dem jeweiligen Job und auch vom Standort ab. Sie ist also längst nicht überall in der Arbeitswelt umsetzbar.
 

Aus Sicht von Lutz Kordges, Sprecher des Verbands Der Mittelstand BVMW e.V., sind flexible Arbeitszeitmodelle, die Arbeitgebende und Mitarbeitende miteinander vereinbaren, grundsätzlich sinnvoll, „wenn sie zur betrieblichen Realität passen.“ Allerdings müssten diese Arbeitszeitmodelle durch die Produktivität gedeckt sein. „Eine Viertagewoche muss sich rechnen, sonst geraten Betriebe und Jobs in Gefahr“, so Kordges. Eine staatlich verordnete Viertagewoche lehnt er hingegen ab: „Mitarbeitende und Arbeitgebende wissen besser als der Staat, ob eine Viertagewoche passt oder nicht.“

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