Chart of the Week | 26.04.2019

Entscheidet die Wirtschaft die Wahl?

3 min Lesedauer 26.04.2019

Seine Zustimmungswerte sind die schlechtesten eines US-Präsidenten zu diesem Zeitpunkt seiner Amtszeit, aber Donald Trump scheint das nicht zu kümmern. Felsenfest geht er offenbar davon aus, 2020 wieder als republikanischer Präsidentschaftskandidat aufgestellt zu werden – und auch Zweifel am für ihn erfolgreichen Ausgang der Wahl lässt er sich zumindest nicht anmerken. Wird er im Herbst 2020 wirklich noch einmal als Wahlsieger vom Podium winken? Darüber könnte möglicherweise die Performance der US-Wirtschaft in diesem und dem kommenden Jahr entscheiden. Denn neben gesellschafts- und sicherheitspolitischen Themen ist es vor allem die ökonomische Entwicklung, die die Wähler interessiert. Unvergessen bleibt das Mantra „It’s the economy, stupid!“ von Bill Clintons Wahlkampfstratege James Carville.

 

Unser Chart der Woche zeigt für jedes Jahr seit dem Zweiten Weltkrieg das Wachstum der amerikanischen Wirtschaft im jeweiligen und dem vorangegangenen Jahr vor dem Hintergrund der präsidentiellen Amtsperioden. Und liefert einen Hinweis darauf, was für einen amtierenden Präsidenten, der wiedergewählt werden will, von Bedeutung ist: Bei den erfolgreichen Wiederwahlen 1948, 1956, 1964, 1972, 1984, 2004 und 2012 lag das Wachstum in der zweiten Hälfte der endenden Amtszeit jeweils über dem Mittelwert der Periode, 1996 ungefähr im Durchschnitt, was für Bill Clinton zur Wiederwahl reichte. Dieser Durchschnitt lag allerdings auch deutlich über dem des Amtsvorgängers George H. W. Bush.

 

Bei Gerald Ford war das 1976 nicht der Fall. Auch die anderen beiden Präsidenten, die vom amerikanischen Volk abgewählt wurden, hatten zum Ende ihrer Amtszeit nur unterdurchschnittliche Wachstumszahlen vorzuweisen: Jimmy Carter 1980 und der bereits erwähnte George Bush senior 1992.

US-Wirtschaftswachstum und Amtsperioden der Präsidenten, 1945-2018

Quelle: U.S. Bureau of Economic Analysis, ING Economic & Financial Analysis

Wenn es um das „natürliche“ Ende einer Präsidentschaft geht, also der Amtsinhaber nach üblicherweise acht Jahren nicht mehr antrat, zeigt sich hingegen ein gemischtes Bild hinsichtlich der Wachstumszahlen, aber ein recht einheitliches im Ergebnis: Es scheint, als sei die US-Bevölkerung regelmäßig nach zwei Amtsperioden der Herrschaft einer Partei überdrüssig. Nur ein einziges Mal im betrachteten Zeitraum gelang 1988 mit Bush senior einem Kandidaten aus der Partei des scheidenden Staatsoberhaupts der Wahlsieg. Bei der Bewertung eines amtierenden Präsidenten hingegen gibt es offenbar eine Art „Recency Bias“, also eine Übergewichtung aktueller Eindrücke.

 

Eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums in der zweiten Hälfte seiner Amtszeit könnte somit auch das Ende der Ära Donald Trump einläuten, der also auf eine Wiederbelebung des Booms hoffen dürfte. Das sind zumindest die Rahmenbedingungen des Szenarios, in dem sich ING-Ökonomen und die Strategen von Oxford Analytica eine Wiederwahl des kontroversen Politikers vorstellen können. Dieses und drei weitere Szenarien mit den dazugehörigen Wahlausgängen entwerfen sie in ihrem Report „Four scenarios for 2020 and beyond“, der auf ING Think zum Download zur Verfügung steht – das beste Mittel, um sich schon jetzt mit den Einflussfaktoren und möglichen Konsequenzen der Wahl auseinanderzusetzen.

Autor: Sebastian Franke