Die Steuer ist pink, doch die Inflation ist blau…

Chart of the Week

4 min Lesedauer 21.10.2022

… wer sich als Mann auf Shoppingtour begibt, zahlt dabei oft mehr als seine Frau. Und in diesem Jahr dürfte das Befüllen des Kleiderschrankes für die Herren der Schöpfung noch teurer werden. Denn die Preise für Herrenbekleidung sind bisher stärker gestiegen als die für Damenbekleidung.

Wer den Begriff „Gender Pricing“ hört, denkt vermutlich schnell an die „Pink Tax“. Die pinke Steuer beschreibt den Preisaufschlag, den viele Firmen auf Produkte für Frauen erheben. Dabei sind diese Produkte häufig baugleich zu denen für Männer – nur kommen sie häufig in pink daher oder sind anderweitig als „speziell für Frauen“ gekennzeichnet. Über die pinke Steuer stolpert man besonders häufig im Drogeriemarkt. Für Einwegrasierer zahlen Frauen, einer Untersuchung der Verbraucherzentrale Hamburg aus dem Jahr 2019 zufolge, im Schnitt 24 Prozent mehr als Männer. Für Rasierschaum liegt die Rechnung der Frauen im Schnitt um 78 Prozent höher, beim Parfüm sind es rund 40 Prozent. Auch bei Duschgel und Shampoo hat die Weiblichkeit des Produkts ihren Preis.

Doch Gender Pricing, also die geschlechtsspezifische Preisgestaltung bei sehr ähnlichen oder gleichen Gütern und Dienstleistungen, ist nicht nur pink. Auch Produkte für Männer kommen teilweise teurer daher als das Pendent für Frauen. Während Frauen besonders im Bereich der persönlichen Pflege zur Kasse gebeten werden, dürfen die Herren der Schöpfung beim Shoppen einen blauen Aufschlag zahlen. Das zeigen sowohl die Ergebnisse einer Untersuchung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes aus dem Jahr 2016 als auch des Verbraucherportals Gutscheinsammler aus dem gleichen Jahr. Hosen, Pullover, Strümpfe und Schuhe kosten für Männer mehr als für Frauen.

In diesem Jahr dürfte der Preisaufschlag noch deutlicher ausfallen. Unser Chart of the Week zeigt, dass die Preise für viele Herrenbekleidungsartikel in diesem Jahr bisher durchschnittlich stärker gestiegen sind als die Preise für Damenmode derselben Kategorie.

Durchschnittliche Inflationsrate (Januar – September 2022) für ausgewählte Bekleidungsartikel

Der Chart zeigt die durchschnittliche Inflationsrate (Januar – September 2022) für ausgewählte Bekleidungsartikel
Quelle: Destatis; ING Economic & Financial Analysis

Für Herrenstrümpfe und -socken beispielsweise stiegen die Preise um durchschnittlich 2,2 Prozent, während sie für Frauen um 3,6 Prozent fielen. Die Preise für den Männerschuh stiegen bisher durchschnittlich um knapp 4 Prozent, die Damenmodelle haben sich um weniger als 1 Prozent verteuert. Doch nicht in allen Produktkategorien stiegen die Preise für das blaue Produkt stärker als für das pinke. In der Unterwäscheabteilung sowie für Businesskleidung und T-Shirts sind die Preise für Frauenmode stärker gestiegen als für die Herren. Im Durchschnitt über alle ausgewählten Kategorien hinweg lag die pinke Inflation allerdings bei 0,7 Prozent und die blaue Inflation bei 1,4 Prozent.

Dass Männer und Frauen an verschiedener Stelle mehr Geld ausgeben, könnte auch der Grund dafür sein, dass sich ihre Inflationserwartungen an verschiedenen Produkten orientieren. Denn Inflationserwartungen werden durch Einkaufsgewohnheiten, Erfahrungen und Präferenzen beeinflusst. Eine im September veröffentlichte Studie der EZB zeigt, dass ein Anstieg der Inflation im Bereich Kleidung um einen Prozentpunkt dazu führt, dass sich die kurzfristigen Gesamtinflationserwartungen der Männer um 0,12 Prozentpunkte erhöhen. Fällt Frauen eine Preissteigerung um einen Prozentpunkt im Bereich Kleidung auf, erhöhen sich ihre Gesamtinflationserwartungen nur um 0,07 Prozentpunkten. Dafür wird ihre Inflationserwartung sehr viel stärker von der wahrgenommenen Lebensmittelinflation getrieben.

Auf pinke und blaue Preisaufschläge zu verzichten, würde also nicht nur dazu beitragen einen Schritt in Richtung Geschlechtergerechtigkeit zu gehen, sondern könnte außerdem helfen die Inflationserwartungen zu senken, wenn die Verbraucher die Preissenkungen in den für sie relevanten Bereichen spüren. Und mal ehrlich, ist nicht beides wertvoller als Produkte und Preise möglichst geschlechterspezifisch zu gestalten?

Autor: Franziska Biehl