Warum Sie Bewertungen im Netz nicht blind vertrauen sollten │08.08.2019

Die Online-Bewertungen anderer helfen, um eine Entscheidung zu treffen. Doch oft finden sich Blindgänger unter den Rezensenten. Worauf Verbraucher achten sollten.
Welche Unterkunft ist die beste? Wie gut ist der Zahnarzt um die Ecke? Und wie zufrieden sind andere mit der Bohrmaschine? Was andere denken, schafft Sicherheit und hilft bei einer Entscheidungsfindung. Dass viele Deutsche auf die Meinung anderer vertrauen, zeigt eine Umfrage von Bitkom Research aus dem Jahr 2018. Demnach gaben 63% der Befragten an, Online-Bewertungen vor dem Produktkauf zu nutzen. Außerdem zeigt eine Statista-Erhebung von 2016, dass Rezensionen im Netz für 34% der Befragungsteilnehmer eine Orientierung bieten. Für knapp 56% ist das manchmal der Fall.
Schwarze Schafe unter den Online-Bewertungen
Sich an der Meinung anderer zu orientieren, ist legitim. Das Problem: Unter seriösen Bewertungen tummeln sich auch gefälschte Rezensionen. Firmen können 5-Sterne-Bewertungen kaufen, um Verbraucher zu täuschen. Das Unternehmen Fivestars etwa nimmt für zwölf Bewertungen auf der Hotelbewertungsplattform Tripadvisor rund 120 Euro. Laut eigenen Angaben verkauft die Firma 2.000 Bewertungen pro Monat.
Die britische Verbraucherschutzorganisation Which? deckte im April 2019 auf, dass auch Amazon ein Problem mit gefälschten Top-Bewertungen hat. Die Verbraucherschützer untersuchten auf der Plattform des Onlinehändlers 14 verschiedene Technologieprodukte. Sie fanden heraus, dass zum Beispiel 87% der Kopfhörer unbekannter Marken von gefälschten Rezensionen betroffen waren und nicht auf verifizierten Käufen basierten. Amazon hält sich zu diesem Thema bedeckt.
Zu wenig Kontrollen unter den Bewertungen
Laut einer YouGov-Umfrage von 2019 im Auftrag von Trusted Shops unterläuft jedem fünften Deutschen der Irrtum, dass Bestnoten bei den Kundenbewertungen für einen vertrauenswürdigen Onlineshop sprechen. Doch das Gegenteil ist oft der Fall: Hat ein Shop ausschließlich Bestnoten, handelt es sich häufig um eingekaufte Fake-Bewertungen.
Eine Prüfung der Hersteller könnte den Mogelpackungen entgegenwirken. Einige Firmen wie die Bewertungsportale Jameda und Yelp nutzen automatische Kontrollmechanismen durch Algorithmen oder setzen eine Missbrauchsmeldefunktion für Nutzer ein. Auch die manuelle Kontrolle durch Mitarbeiter könnte Abhilfe schaffen. Doch wie eine Analyse der Verbraucherzentrale in Bayern ergeben hat, werden Bewertungen im Netz nicht gründlich oder gar nicht geprüft.
Gefälschte Bewertungen erkennen
Georg Tryba von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen appelliert daran, Online-Bewertungen generell als subjektiv anzusehen. „Ich kenne die Situation des Bewertenden nicht und weiß nicht, warum er ein Gefühl zu einem Produkt hat. Deshalb sollte man die Meinung nicht zu hoch gewichten.“ Oft handele es sich um gefühlte Fakten. Vor diesem Hintergrund sagt Tryba: „Bewertungen haben einen viel zu hohen Stellenwert bei Entscheidungen.“
Wer sich auf Bewertungsportalen über einen potenziellen Arbeitgeber informieren möchte, sollte auch hier wachsam sein. Hier rät Christoph Busch, Bereichsleiter Arbeit und Innovation bei Bitkom: „Für potenzielle Bewerber bieten Online-Bewertungen einerseits die Möglichkeit, ein Unternehmen von einer anderen Seite kennenzulernen als über die oft sehr positive Selbstdarstellung vor Ort. Andererseits nutzen vereinzelt frustrierte Arbeitnehmer, die das Unternehmen bereits verlassen haben, solche Plattformen, um ihrem Unmut Luft zu machen.“
Fünf Prüf-Kriterien für Bewertungen
Wer sich ein Bild über Produkte, Dienstleister und Arbeitgeber machen möchte, sollte auf einige Kriterien achten, wie Tatjana Halm von der Verbraucherzentrale Bayern empfiehlt.
- Das Bewertungssystem: Sind Bewertungen nur bei verifizierten Käufen möglich oder kann jeder seine Meinung abgeben?
- Die Sprache: Achtung bei Formulierungen, die werblich oder übermäßig begeistert klingen, sehr lang oder kurz sind.
- Der Rezensent: Auffällig ist z.B., wenn eine Person viele ähnliche oder gar dieselbe Rezension für gleiche Produkte geschrieben hat. Für Dienstleistungen gilt: Bewertet jemand an weit voneinander entfernten Orten, etwa einen Hamburger Arzt und einen Münchner Friseur, sollte man stutzig werden.
- Die Noten: Ausschließlich positive Bewertungen für ein Produkt sind unglaubwürdig. Auch sind viele Rezensionen in kurzer Zeit ein Alarmsignal, ebenso wie ein positiver Kommentar zur Haltbarkeit kurz nach Warenerhalt.
- Schlechte Bewertungen: Negativberichte helfen, um sich ein allgemeines Bild zu machen. Außerdem reagieren seriöse Shops individuell auf negative Bewertungen und Kritik des Kunden – das macht den entscheidenden Unterschied.
Autor: ING