Darf mein Chef oder meine Chefin mein Gehalt verspätet oder verkürzt zahlen?

Verbrauchertipps 4 min Lesedauer 31.08.2022
Gehaltskürzung

Arbeitnehmer haben Pflichten, Arbeitgeber aber auch. Darf der Arbeitgeber also das Gehalt verspätet oder verkürzt zahlen? Die Antwort darauf ist einerseits „Nein“ und andererseits „Es kommt drauf an“. Nein, der Chef ist nicht berechtigt, das Gehalt verspätet zu überweisen. Und ob der Arbeitgeber Teile vom Lohn oder Gehalt einbehalten darf, hängt von bestimmten Faktoren ab. Doch der Reihe nach.

Wenn das Gehalt nicht pünktlich auf dem Konto ist

Entweder im Tarif- oder im Arbeitsvertrag ist nachzulesen, bis wann der Lohn oder das Gehalt auf dem Konto eines Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin eingegangen sein muss. Hat der Betrieb bis zu diesem Zeitpunkt – zum Beispiel bis zum dritten Tag eines Monats – nicht gezahlt, ist er oder sie automatisch im Verzug. Handelt es sich hierbei etwa nicht um einen bloßen Fehler oder Irrtum, der sich schnell und einvernehmlich auflöst, können Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen folgendes tun:

  • Fordern Sie Ihren Betrieb schriftlich auf, Ihnen den ausstehenden Lohn zu überweisen und setzen Sie hierbei eine Frist.
  • Reagiert Ihr Chef oder Ihre Chefin auf dieses Schreiben nicht, schicken Sie eine Abmahnung.
  • Erfolgt daraufhin immer noch keine Gehaltszahlung, können Sie Klage vor dem Arbeitsgericht einreichen und Verzugszinsen geltend machen. Bei diesem Vorgehen sollten Sie sich juristisch beraten lassen – entweder von einem Fachanwalt oder einer Fachanwältin für Arbeitsrecht oder von einer Gewerkschaft. Wird der Arbeitgebende aufgrund Ihrer Klage vom Gericht vorgeladen und erscheint er nicht, droht ein Versäumnisurteil, mit dem das Konto gepfändet werden kann.
  • Verschleppt ein Betrieb wiederholt Gehaltszahlungen oder zahlt kein Gehalt über einen längeren Zeitraum, haben Sie nach einer Abmahnung das Recht zur fristlosen Kündigung. Sie müssen dies schriftlich tun und können dann – ohne auf die üblichen Kündigungsfristen zu achten – einen Job bei einem neuen Unternehmen antreten.

Der Arbeitgeber darf das Gehalt nicht ohne weiteres kürzen

Und was ist, wenn mein Gehalt geringer ausfällt als sonst? Ganz allgemein ist der Betrieb nicht berechtigt, das Grundgehalt zu kürzen – auch nicht, wenn der Vorgesetzte mit Ihren Leistungen unzufrieden ist oder die Firma auf Sparkurs ist. Darauf weist Johannes Schipp, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Gütersloh, hin. Insbesondere wenn das Gehalt im Arbeits- oder Tarifvertrag festgeschrieben ist, darf der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin es nicht einfach kürzen.

„Genauso wenig ist es erlaubt, einen Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin auf eine schlechtere Position zu versetzen und damit das Gehalt zu verringern“, betont Schipp. Er ist Vorsitzender des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein.

Wann der Chef oder die Chefin Teile des Gehalts einbehalten oder kürzen darf

Nach Angaben von Schipp kommt es jedoch immer darauf an, aus welchen Bestandteilen sich ein Gehalt zusammensetzt – manche Komponenten dürfen Chefs und Chefinnen in der Tat kürzen. Und: Auch Arbeitnehmende haben Pflichten. Kommen Sie diesen nicht nach, kann das ebenfalls zu einer Gehaltskürzung führen.

  • Alles, was nicht zur regulären Vergütung gehört, kann der Betrieb unter Umständen kürzen. Behält sich dieser zum Beispiel vor, jedes Jahr neu zu entscheiden, ob etwa Weihnachts- oder Urlaubsgeld gezahlt werden soll, kann er oder sie diese Leistungen kürzen oder ganz streichen.
  • Ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin hat sich krankgemeldet. Über Wochen hinweg hat er oder sie versäumt, dem Betrieb die Krankmeldung beziehungsweise die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen. In einem solchen Fall ist der Chef oder die Chefin berechtigt, Teile des Gehalts einzubehalten – bis der oder die Beschäftigte die Nachweise vorlegt.
  • Ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin weigert sich, aus welchen Gründen auch immer, wichtige Dokumente oder Hilfsmittel herauszugeben. Auch in einem solchen Fall darf der Betrieb einen Teil des Lohns oder des Gehalts seines Mitarbeiters oder seiner Mitarbeiterin einbehalten, bis der- oder diejenige die Sachen zurückgibt.
  • Ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin schuldet seinem oder ihrem Arbeitgeber einen größeren Geldbetrag, den er oder sie auch auf mehrfache Nachfrage hin nicht herausrückt. Auch das kann in einer Gehaltskürzung münden.
  • Ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin ist verschuldet, gegen ihn oder sie liegt ein Vollstreckungsbescheid vor. Gläubiger sind berechtigt, direkt beim Betrieb der Schuldner Geld einzutreiben. Der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin steht hierbei aber in der Pflicht, die Pfändungsgrenze einzuhalten. Was bedeutet: Er oder ie kann nicht den gesamten Lohn oder das gesamte Gehalt den Gläubigern geben.

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