Erdgas: LNG-Trend verspricht Chancen

Viele Länder wollen sich im Gasgeschäft von bisherigen Abhängigkeiten befreien. Dies könnte für den Bereich Liquefied Natural Gas (LNG) ganz neue Perspektiven eröffnen.

Geldanlage 8 min Lesedauer 11.10.2022
Straßen Pfeil

Eine Analyse des DUP UNTERNEHMER-Magazins, Kai Makus | Werbemitteilung


Nord Stream war gestern, heute (und wohl auch morgen) sind LNG-Tanker gefragt, die den dringend benötigten Energieträger Erdgas nach Deutschland und Europa bringen. Dabei gibt es eine ganze Reihe spezialisierter Unternehmen, die in dem margenattraktiven Geschäft mitmischen. Eine Auswahl interessanter Anbieter, bei denen sich ein genaueres Hinschauen lohnen könnte.

Auf Dauer wäre es zu teuer, ganz auf russisches Gas zu verzichten – diese derzeit unpopuläre Meinung äußerte kürzlich Andree Stracke, Chef der RWE Supply & Trading, auf einer Konferenz in Mailand. Bis dahin aber, so der Manager, müsse dringend in LNG-Terminals (LNG: Liquefied Natural Gas, Flüssigerdgas) investiert werden. Nur so könnten die benötigten Mengen des fossilen Energieträgers nach Deutschland – und Europa – geschafft werden, nämlich per Schiff.

Tatsächlich benötigt Europa nach Schätzungen von Analysierenden etwa 200 Millionen Tonnen LNG jährlich, um seinen Energiebedarf zu decken. Allein Deutschland braucht rund 40 Millionen Tonnen. Ein Vergleich mit Pipeline-Gas ist schwierig, denn dieses wird gasförmig angeliefert. Viel interessanter als die benötigten Mengen sind jedoch die Auswege aus der Energiekrise – und die Erwartungen, welche Investments der Bau und der Betrieb entsprechender Anlagen und Transportmittel kosten wird

Peak erst in einigen Jahren

Laut dem norwegischen Analyseunternehmen Rystad Energy wurden im Jahr 2020 als Folge der Pandemie weltweit lediglich zwei Milliarden US-Dollar in neue LNG-Projekte investiert. In den Jahren 2021 und 2022 lagen die Summen mit 28 respektive 27 Milliarden Dollar wieder auf einem deutlich höheren Niveau. 2023 soll dann mit fast 32 Milliarden Dollar ein neues Zwischenhoch realisiert werden, 2024 könnte mit 42 Milliarden Dollar der Peak erreicht werden. Danach, so die Expertinnen und Experten von Rystad, dürften die Beträge schrittweise zurückgehen.

Die Nachfrage wird sich auf den asiatisch-pazifischen Raum und nach Amerika verlagern. Im Jahr 2030 dürfte der Verbrauch in Asien aufgrund des starken Wirtschaftswachstums und wegen einer gasfreundlichen Politik auf etwa ein Viertel des weltweiten Konsums steigen, in Nord- und Südamerika könnten es dann rund 30 Prozent sein. Zur kurzfristigen Entwicklung heißt es bei Rystad: „Die jüngsten Preissteigerungen auf den weltweiten Erdgasmärkten haben die Gasnachfrage etwas gedämpft und in vielen Ländern zu einem Wiederaufleben der Kohleverstromung geführt. Die Regierungen sind jedoch nach wie vor optimistisch, dass Gas in den nächsten Jahren ein erschwinglicher Übergangsbrennstoff für die Stromerzeugung sein wird, wie das rasche Wachstum der Investitionen in die LNG-Infrastruktur zeigt.“ Der Höhepunkt der globalen LNG-Produktion wird mit 705 Millionen Tonnen (2021: 380 Millionen Tonnen) für 2034 erwartet. Bei Shell gehen Beobachtende sogar davon aus, dass der Höhepunkt der Nachfrage erst nach 2040 eintritt.

Für Anlegende öffnen sich so mittel- bis langfristige Investmentchancen. Dabei gilt zu beachten: Die Unternehmen stammen nicht aus dem Euro-Raum; jeder Kauf der zugrundeliegenden Aktien ist daher neben dem allgemeinen Kursrisiko mit Währungsrisiken behaftet – angesichts der aktuellen Verwerfungen an den Devisenmärkten ein wichtiger Aspekt.

Pipelines und Terminals

Entwicklungschart Cheniere Energy & S&P 500

Wer in LNG-Aktien investieren möchte, findet an den Weltbörsen eine beachtliche Auswahl spezialisierter Unternehmen (siehe Tabelle unten). Eines davon ist die amerikanische Cheniere. Die Texaner haben 2016 ihre erste Verflüssigungsanlage in Betrieb genommen und verschiffen Flüssiggas in alle Welt. Weitere Terminals sollen folgen. Dass die Geschäfte gut laufen, zeigt sich unter anderem an der Revision der Jahresprognose: Ging das Management bislang von einem Ergebnis (Ebitda, Erträge vor Zinsbelastung, Steuern und Abschreibungen) von 8,2 bis 8,7 Milliarden Dollar aus, so sollen es nach Vorliegen der Halbjahreszahlen nun 9,8 bis 10,3 Milliarden werden. Grundlage bildet der mehr als verdoppelte Umsatz; zugleich käme Cheniere damit erstmals in die schwarzen Zahlen.

Noch stärker spezialisiert ist die 2004 gegründete Dynagas. Das Unternehmen mit Geschäftsadresse in Monaco betreibt LNG-Tanker, die langfristig gechartert wurden und unter anderem für Shell und Statoil fahren. Der Umsatz liegt dabei stabil zwischen 130 und 140 Millionen Dollar pro Jahr. Allerdings könnte Dynagas zwei Schiffe als schwimmende Terminals an die deutsche Nordseeküste legen, bis in Wilhelmshaven feste Anlagen errichtet worden sind. Das mindert die Risiken für Dynagas und könnte für zusätzliche Erlöse sorgen. Die Titel sind vor allem mittelfristig interessant.

Tanker auf hoher See

Auch die 2006 auf den Bermudas gegründete Flex LNG setzt ganz auf den maritimen Erdgas-Transport. 13 Tanker hat das Unternehmen derzeit im Einsatz und verweist im aktuellen Quartalsbericht darauf, dass das globale LNG-Transportvolumen in den ersten sieben Monaten des laufenden Jahres um fünf Prozent gestiegen sei. Zugleich macht Flex LNG deutlich, dass die Spot-Preise für den nächsten Winter mehr als 80 Prozent über den aktuellen Preisen lägen. Dennoch: Bei den Schätzungen für die Umsätze bleibt das Unternehmen vorsichtig. Mit jeweils gut 90 Millionen Dollar soll das Geschäftsvolumen im dritten und im vierten Quartal im Rahmen der Erwartungen liegen.

Ebenfalls auf den Bermudas hat Golar LNG seinen Sitz. Das Geschäftsmodell unterscheidet sich nicht allzu sehr von dem von Flex LNG. Jedoch besteht Golar bereits seit gut 75 Jahren und besitzt eine kleinere Flotte. Die (Zwischen-)Bilanz wird durch verschiedene Sondereinflüsse zurzeit verzerrt. So lagen die Erträge auf Stufe Ebitda im zweiten Quartal rund 150 Prozent über den Werten des Vorjahres. Allerdings fiel der Umsatz im selben Zeitraum mit knapp 287 Millionen Dollar deutlich niedriger aus als in der 2021er-Periode (gut 507 Millionen Dollar). Risikofreudige Anlegerinnen und Anleger könnten die Titel einer genaueren Prüfung unterziehen.

Pipelines mit einer Gesamtlänge von 61.000 Kilometern – das entspricht etwa dem eineinhalbfachen Erdumfang – betreibt die amerikanische Oneok. Das 1906 gegründete Unternehmen gehört dem US-Aktienindex S&P 500 an und hat sich vor allem auf den Transport von Erdgas über Land spezialisiert. Damit ist Oneok ein wichtiger Logistiker für die amerikanische Energieversorgung. Die Umsätze steigen derzeit, die Gewinnsituation hat zuletzt jedoch als Folge getätigter Investitionen ein wenig gelitten. Dennoch: Die Ertragslage könnte üppige Dividendenausschüttungen zulassen.

Verwirrung bei Tellurian

Bleibt die texanische Tellurian – die Investierende mit Vorsicht betrachten sollten. Einerseits schreibt das Unternehmen derzeit rote Zahlen, andererseits macht ein Blick hinter die Management-Kulissen skeptisch. Gegründet hat die Firma nämlich Charif Souki. Der war zuvor Chef bei Cheniere und flog dort nach einem Streit mit dem neuen Eigner Carl Icahn raus. Daraufhin startete er Tellurian, unter anderem mit der Kampfansage, er werde insbesondere Cheniere um 15 bis 20 Prozent unterbieten. Noch heute leidet Tellurian unter den Spätfolgen des Wirkens von Souki, der 2013 der höchstbezahlte CEO in den USA war.

Fest steht: Mit einem glücklichen Händchen könnten Anlegende mit LNG-Aktien die zu erwartenden Nachzahlungen für Haushaltsgas zumindest ein bisschen abfedern. Die Alternative zu Einzelaktien sind dabei Zertifikate, die sich allerdings nur für fortgeschrittene Börsianerinnen und Börsianer eignen. Zu diesen Vehikeln zählen zum Beispiel das „Unlimited Trackerzertifikat auf Erdgas NYMEX Rolling“ (ISIN DE000SB5QSX5) und das „Open End Partizipationszertifikat auf NYSE Arca Natural Gas“ (ISIN DE000GS0J038). Solche Papiere erzielen womöglich höhere Renditen als Aktien, sind aber auch deutlich riskanter.

Investment-Beispiele Aktien:

Name

Aktueller Kurs

KGV* (2022)

Gewinn/Aktie (2022**)

Dividende (2022**)

Dividendenrendite (2022**)

Cheniere Energy

174,98 €

18,6

9,33 €

1,36 €

0,8 %

Dynagas LNG Partners

2,89 €

4,9

0,60 €

0,00 €

0,0 %

Flex LNG

30,90 €

9,1

3,54 €

3,59 €

11,2 %

Golar LNG

26,40 €

3,9

6,78 €

0,00 €

0,0 %

Oneok

56,71 €

14,8

3,86 €

3,84 €

6,7 %

Tellurian

2,34 €

Verlust

Verlust

0,00 €

0,0 %

*KGV: Kurs-Gewinn-Verhältnis; ** Prognose; Fremdwährungen umgerechnet in Euro; Stand: 06.10.2022

Autor: Kai Makus

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