Chart of the Week | 14.06.2019

Wie geht es eigentlich Griechenland?

3 min Lesedauer 14.06.2019

Um ein europäisches Land, das in den letzten Jahren ein Schlagzeilengarant war, ist es relativ ruhig geworden. Doch in weniger als einem Monat stehen in Griechenland Neuwahlen an. Wie ist der Stand der Dinge im krisengeschüttelten Land?

 

Nicht nur in Deutschland oder Italien hat die Europawahl Spuren hinterlassen. Auch in Griechenland hat Premierminister Alexis Tsipras aus dem schlechten Abschneiden seiner Syriza’ Partei Konsequenzen gezogen, am 7. Juli wird ein neues Parlament gewählt. Dabei sieht es für seine Partei nach der Schlappe bei der Europawahl laut den aktuellen Wahlprognosen auch zu Hause nicht besonders gut aus. In der Europawahl hatte die Oppositionspartei und ehemalige Regierungspartei Nea Dimokratia (ND) 33,1 Prozent der Stimmen geholt, während die aktuelle Regierungspartei Syriza, welche ND im Jahr 2015 an der Spitze abgelöst hatte, nur 23,8 Prozent holen konnte. Laut den aktuellen Wahlprognosen dürfte sich dieses Ergebnis wiederholen, derzeit führt ND mit 8,5 Prozentpunkten vor Syriza.

 

Dasselbe Schicksal, das ND im Jahr 2015 aufgrund der Spar- und Reformmaßnahmen im Zuge der Griechenlandkrise abgewählt wurde, droht nun auch Syriza. Dabei befindet sich die griechische Wirtschaft nach Jahren des Schrumpfens wieder auf einem vorsichtigen Wachstumskurs, wie unser Chart der Woche zeigt. Die griechische Wirtschaft ist in den letzten drei Quartalen sogar stärker gewachsen als die Eurozone.

Griechenlands Bruttoinlandsprodukt

Nichtsdestotrotz sollten diese Zahlen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Sorgen seit dem Ausbruch der Krise im Jahr 2009 nach wie vor nicht verschwunden sind. So liegt die Arbeitslosenquote immer noch bei 18% und auch die Staatsverschuldung ist mit 187% des BIP nach wie vor die höchste in der Eurozone. Auch die sich zuziehenden Wolken am Konjunkturhimmel und die zahlreichen externen Unsicherheitsherde stellen weitere Hürden für den zarten Erholungskurs dar. In den letzten Wochen sind zudem Zweifel aufgekommen, ob Griechenland das Ziel eines primären Haushaltsüberschusses von 3,5% vom BIP dieses Jahr wirklich erreicht.

 

Dass es bei einem Regierungswechsel zu einer dramatischen Abkehr vom Reformkurs kommen wird, scheint indes unwahrscheinlich, auch wenn die Oppositionspartei verspricht, Steuern zu senken und Wirtschaftswachstum nicht auf Sparpolitik zu basieren. Zwar unterliegt Griechenland seit 10 Monaten nicht mehr dem Unterstützungsprogramm des Europäischen Stabilitätsmechanismus, doch müssen ab 2023 noch zahlreiche Kredite und Zinsen aus den Hilfsprogrammen zurückgezahlt werden. Auch wenn es medial ruhig geworden ist, betrachten die Gläubiger das Land mit Argusaugen. Ganz so dramatisch ist die vorgezogene Neuwahl übrigens nicht. Im Oktober hätten ohnehin reguläre Wahlen stattgefunden.

Autor: Inga Fechner