Chart of the Week | 27.04.2018

Ein besonderes Verhältnis

3 min Lesedauer 27.04.2018

Die Deutschen verstehen sich als Sparernation, da beißt die Maus keinen Faden ab. Auch wenn über ein Viertel der Konsumenten hierzulande über keinerlei Ersparnisse verfügt, ist das Sparen für uns offenbar mehr als nur die bloße Aufbewahrung von Werten zur späteren Verwendung. So hängt beispielsweise für deutsche Sparer die Zufriedenheit mit den eigenen Ersparnissen stärker von deren Höhe ab als bei vielen europäischen Nachbarn. Und auch wenn die Unterschiede geringer ausfallen, als man das angesichts der medialen und politischen Aufmerksamkeit manchmal annehmen würde, leidet man hierzulande gefühlt (und nach eigenen Angaben) doch stärker als anderswo in Europa unter niedrigen Zinssätzen. Kein Wunder, dass in Deutschland der Ruf nach einem baldigen Ende der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank immer noch lauter ist als anderswo.

Das Leid der Deutschen wird allerdings nicht so schnell verschwinden. Das wurde gestern wieder einmal deutlich. Ein leicht besorgter Mario Draghi gab keinen einzigen Hinweis darauf, dass das Anleihekaufprogramm schon im September beendet werden könnte. Ganz im Gegenteil, aufkeimende Konjunktursorgen und ausbleibender Inflationsdruck lassen eine Verlängerung des Programms bis Dezember oder sogar bis März 2019 immer wahrscheinlicher erscheinen. Und selbst wenn das Anleihekaufprogramm dann irgendwann mal offiziell beendet ist, wird die EZB noch eine Weile Geld in Anleihemärkte reinvestieren und sollte es mindestens sechs Monate dauern, bis man im Osten Frankfurts zum ersten Mal an der Zinsschraube dreht. Das selbstgefühlte Leid der deutschen Sparer dauert also an.

Zinsansichten

Wenn es dann irgendwann mal zur ersten Zinserhöhung kommt, scheinen deutsche Verbraucher darüber glücklicher zu sein als viele ihrer europäischen Nachbarn. Wie unser Chart der Woche zeigt, versprechen sich Konsumenten in Deutschland von steigenden Zinsen mehrheitlich eher Vor- als Nachteile (36 zu 23 Prozent). Europaweit gibt es eine knappe Minderheit (29 zu 32 Prozent) für diese Ansicht. Ein deutlich höherer Anteil als in Deutschland hat hingegen Angst, im Falle steigender Zinsen Schwierigkeiten mit der Rückzahlung von Schulden zu bekommen: Rund ein Viertel der Befragten hegt diese Befürchtung, in Deutschland sind es lediglich 13 Prozent. Eine klare Mehrheit von 58 Prozent geht hierzulande nicht davon aus, in derartige Schwierigkeiten zu kommen. Hier wirkt sich offenbar aus, dass langfristig festgeschriebene Zinsen für Hypothekendarlehen in anderen europäischen Ländern nicht in dem Maße Standard sind wie hierzulande.

Sorgen oder Hoffnungen muss sich allerdings noch niemand machen. Die erste Zinserhöhung wird noch lange auf sich warten lassen. Bis dahin kann am Stammtisch weiterhin leidenschaftlich diskutiert werden über das Wohl und Wehe der Geldpolitik der EZB.