Chart of the Week | 07.09.2018
Liebe auf den zweiten Blick
Seit mehreren Jahrzehnten schickt die Europäische Kommission ihre Meinungsforscher zweimal jährlich mit einem umfangreichen Fragenkatalog in die Mitgliedsländer. Ziel ist ein umfassendes Stimmungsbild zu zahlreichen europapolitischen Fragestellungen, welches im Nachgang der Befragungen unter der Bezeichnung „Eurobarometer“ veröffentlicht wird. Dabei werden die Umfrageteilnehmer auch gefragt, ob sie eine Reihe verschiedener Aspekte der Europäischen Union jeweils befürworten oder ablehnen, so zum Beispiel eine gemeinsame Energiepolitik oder die Freizügigkeit innerhalb der EU. Ebenfalls abgefragt wird die Zustimmung zu einer Wirtschafts- und Währungsunion – oder kurz: zum Euro.
Unser Chart der Woche zeichnet den Verlauf dieser Zustimmungsrate während der letzten 25 Jahre nach. Deutlich ist zu sehen, dass der Euro hierzulande einen eher schwierigen Start hatte: Die Deutschen liebten ihre Mark, die Angst vor einer potenziellen „Weichwährung“ war groß. Dementsprechend stand man der Idee einer gemeinsamen Währung mit anderen europäischen Ländern, die bis dato teilweise deutlich höhere Inflationsraten aufwiesen als Deutschland, mehrheitlich skeptisch bis ablehnend gegenüber. Die Informationskampagnen im Zuge der Euro-Einführung zeigten aber offenbar Wirkung: Innerhalb von zwei Jahren kletterte damals die Zustimmungsquote um 25 Prozentpunkte.
Eurobarometer im Zeitverlauf: „Eine Europäische Wirtschafts- und Währungsunion mit einer gemeinsamen Währung, nämlich dem Euro“, Anteil der „dafür“-Antworten
Die D-Mark war da strenggenommen bereits Geschichte: Schon zum 1. Januar 1999 war der Euro als Buchgeld eingeführt worden. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war das Markstück im Portemonnaie eigentlich ein 51-Eurocent-Stück. Die neue Währung auch sehen und anfassen zu können, gab der Beliebtheit einen Schub: Nach der Bargeldeinführung zum 1. Januar 2002 übersprang die Zustimmungsquote zum ersten Mal die 60-Prozent-Marke und zog gleich mit den bis dato höheren Werten im EU-Durchschnitt.
Im Zuge der Finanzkrise litt dann wiederum die Zustimmung allerorten. Doch mit der schnelleren wirtschaftlichen Erholung kletterte auch die Zustimmung zum Euro in Deutschland schneller wieder als anderswo. Und das durchaus zu Recht, denn die Gemeinschaftswährung war und ist niedriger bewertet, als es eine allein deutsche Währung wäre, und unterstützt so die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Produkte auf dem Weltmarkt. Die niedrigen Zinsen der EZB unterstützen zudem den Konsum und den Immobilienmarkt.
Da überrascht es nicht, dass in der ersten Jahreshälfte 2018 mit einer Zustimmungsquote von 83 Prozent ein neuer Höchstwert erreicht wurde. In keinem großen EU-Land liegt der Wert höher, selbst die traditionell europafreundlichen Benelux-Länder wurden überholt – und momentan weist nichts darauf hin, dass der Trend bei der nächsten Veröffentlichung Ende 2018 brechen könnte. Deutschland und der Euro – Liebe auf den zweiten Blick.