Home, Sweet Home?

Chart of the Week

3 min Lesedauer 28.02.2020

Beim Blick auf die Besonderheiten des deutschen Arbeitsmarkts ist regelmäßig zu konstatieren, dass hierzulande nicht nur – wie in den meisten anderen Ländern – weniger Frauen als Männer am Erwerbsleben teilnehmen, sondern dass diese auch vergleichsweise häufig in Teilzeit arbeiten. Das führt zu einem überdurchschnittlich großen Aufholpotenzial weiblicher Erwerbstätigkeit, dessen Heben beispielsweise bei der Bewältigung des demografischen Wandels hilfreich sein könnte. Als ein möglicher Schritt auf dem Weg zu diesem Ziel wird auch über die Arbeit im sogenannten Homeoffice nachgedacht, die eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen soll. Diskussionen zur gesetzlichen Verankerung eines Rechtsanspruchs auf Heimarbeit werden immer wieder mit wechselnder Intensität geführt.

 

Eine solche Maßnahme hätte womöglich Potenzial: Wie unser Chart der Woche zeigt, liegt Deutschland in Sachen Homeoffice noch leicht unter dem Durchschnitt von Europäischer Union bzw. Eurozone. Und tatsächlich zeigt sich auch, dass Länder mit einem höheren Heimarbeitsanteil tendenziell einen geringeren Unterschied in der Erwerbstätigkeit von Männern und Frauen aufweisen (hier dargestellt durch die Kombination aus Beschäftigungsquote und durchschnittlich gearbeiteten Stunden).

 

Allerdings lässt sich in den Ländern mit deutlich höherer Heimarbeitsquote nicht durchgängig beobachten, dass das Homeoffice vor allem von weiblichen Erwerbstätigen genutzt würde. Die Arbeit von zu Hause scheint dort also nicht als Vehikel zu dienen, um vor allem mehr Frauen in den Arbeitsmarkt zu bringen. Möglicherweise sind die höhere Heimarbeitsquote wie auch die stärkere Teilnahme von Frauen am Erwerbsleben einfach nur Anzeichen dafür, dass uns andere Länder in der zeitgemäßen Organisation von Erwerbsarbeit einen Schritt voraus sind.

Anteil der Erwerbstätigen, die üblicherweise von zu Hause arbeiten (in Prozent)

Quelle: Eurostat

Die erhoffte bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf hat außerdem auch eine Kehrseite: Laut einer Studie der AOK fällt es vielen Arbeitnehmern im Homeoffice schwer, eine klare Trennung zwischen Job und Privatleben einzuhalten – sie berichten in höherem Maße als andere Beschäftigte von Problemen wie Erschöpfung, Verärgerung oder Lustlosigkeit. Auf der anderen Seite steht beim Arbeitgeber häufig Skepsis hinsichtlich eines Verlusts der Kontrolle über geleistete Arbeit bzw. abgeleistete Zeit. Dennoch gibt es eine Reihe von Aspekten, die das Arbeiten von zu Hause bedenkenswert erscheinen lassen – vor allem dann, wenn man den Fokus vom einzelnen Arbeitnehmer oder Betrieb auf das „große Ganze“ richtet.

 

So entfällt für einen Beschäftigten im Homeoffice der Weg zur Arbeitsstätte – vorteilhaft sowohl aus ökologischer Sicht als auch in Sachen Verkehrsaufkommen. Auch Platz ließe sich einsparen: Bei komplett von zu Hause arbeitender Belegschaft würde ein Arbeitgeber gar keine physische Betriebsstätte mehr benötigen – oder könnte im Falle nur gelegentlich erforderlicher Anwesenheit im Betrieb zumindest die Anzahl der dort vorgehaltenen Arbeitsplätze reduzieren (was natürlich eine Koordination von Anwesenheitszeiten erfordern würde). Womöglich ließe sich so der Wettbewerb um Flächen gerade in den Großstädten etwas entzerren. Ob aus Sicht von Arbeitgeber, Arbeitnehmer oder ökonomischer Vogelperspektive: Es könnte sich lohnen, die Diskussion um das Homeoffice im Auge zu behalten.

Autor: Sebastian Franke