Staugefahr

Chart of the Week

3 min Lesedauer 13.03.2020

5 Minuten und 59 Sekunden: Das ist die magische Grenze, bis zu der die Deutsche Bahn im Rahmen ihrer Statistik einen Zug als pünktlich erachtet. Immerhin 93,9 Prozent ihrer Züge fuhren im Jahr 2019 fahrplanmäßig oder hatten eine Verspätung von unter sechs Minuten, rund sechs Prozent schafften das also nicht. Das klingt zunächst nicht dramatisch, diese sechs Prozent können es aber in sich haben: Wer regelmäßig mit dem Zug reist, kennt sich mit dem Fahrgastrechteformular und der Sorge um Anschlussverbindungen aus.

 

Umso ärgerlicher, dass die Deutsche Bahn auf ihren Pressekonferenzen zur Pünktlichkeit öfter schlechte als gute Nachrichten verkünden muss. Auch wenn es im vergangenen Jahr eine Verbesserung gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen gab, zeigt der Trend der letzten Jahre nach unten: 2019 lag der Anteil als pünktlich geltender Züge um 0,6 Prozentpunkte niedriger als noch fünf Jahre zuvor; der Anteil der Züge mit einer Verspätung von mindestens sechs Minuten stieg von 5,5 auf 6,1 Prozent. Im Fernverkehr ist es sogar fast ein Viertel.

Pünktlichkeit der Deutschen Bahn und Staustunden auf deutschen Autobahnen (2014-2019)

Quelle: Deutsche Bahn, ADAC

Da mag der Gedanke naheliegend erscheinen, auf das Auto umzusteigen, um diesen Verspätungen aus dem Weg zu gehen. Das könnte sich jedoch leicht als Bumerang herausstellen: Denn die Stauentwicklung auf deutschen Autobahnen war über die letzten Jahre noch sehr viel dramatischer als die der Pünktlichkeit der Deutschen Bahn. Hatten sich die Staus auf deutschen Autobahnen im Jahr 2014 noch auf 285.000 Stunden summiert, waren es fünf Jahre später schon 521.000 Stunden, ein Anstieg um über 80 Prozent. Auch die Länge der Staus stieg in diesem Zeitraum von 960.000 auf über 1,4 Millionen Kilometer an. Schätzungen zum volkswirtschaftlichen Schaden durch Staus rangieren je nach Berechnungsansatz zwischen 10 und 100 Milliarden Euro.

 

Und diese Zahlen könnten weiter klettern: Denn laut dem ADAC, der diese Statistik führt, ist eine gestiegene Anzahl von Baustellen einer der Gründe für den Anstieg der Stauzeiten und -​längen. Davon könnte es künftig noch mehr geben, denn die Bundesregierung will die öffentlichen Investitionen aufstocken und unter anderem mehr in den Erhalt der Infrastruktur stecken. An sich natürlich eine gute Sache – aber mit dem Nebeneffekt, dass demnächst an Brücken und Fernstraßen noch kräftiger gearbeitet werden dürfte als bisher. Da erscheint die Aussicht immer noch angenehmer, mit einer Wahrscheinlichkeit von rund 94 Prozent sein Ziel mit maximal 5 Minuten und 59 Sekunden Verspätung zu erreichen.

 

Die Aufstockung der öffentlichen Investitionen war auch kürzlich schon Thema im Chart of the Week und unserem Podcast Carsten’s Corner.

Autor: Sebastian Franke