Das Narrativ des Impfstoffs

Chart of the Week

3 min Lesedauer 13.11.2020

Im Kampf gegen die aktuelle Corona-Krise spielt ein Faktor eine besondere Rolle: Die Bereitstellung eines wirksamen Impfstoffs. In dieser Woche sorgte die vielversprechende Ankündigung der Konzerne BioNTech und Pfizer für Hoffnung. Nicht nur in der Politik, sondern auch an den Zins- und Aktienmärkten schlug die Nachricht des hochwirksamen Impfstoffes ein. Die überschwängliche Marktreaktion versinnbildlicht das um den Impfstoff entstandene Narrativ, die Rückkehr zur Normalität setze ein, sobald er verfügbar sei.  

Unser Chart of the Week zeigt die Ergebnisse einer Umfrage zur Impfbereitschaft sowie des empfundenen persönlichen Infektionsrisikos der Deutschen. Das Hamburg Center for Health Economics führte die Umfrage im April, Juni und September in mehreren Europäischen Ländern durch. Den Umfrageergebnissen ist zu entnehmen, dass die Impfbereitschaft in Deutschland seit April rückläufig ist. Während im April noch mehr als 70 % der Befragten angaben, zu einer Impfung gegen die Krankheit Covid-19 bereit zu sein, waren es im September nur noch knapp mehr als die Hälfte der Befragten. Zeitgleich stieg das empfundene persönliche Risiko, sich mit dem Virus zu infizieren, im September wieder an. Um die allgemeingültigen Abstandsregeln, die seit Beginn des Jahres ständiger Begleiter sind, fallen lassen zu können und eine Rückkehr zur Normalität zu ermöglichen, müssten nach Angaben der Gesundheitsexperten mindestens so viele Impfungen verabreicht worden sein, dass von einer Herdenimmunität ausgegangen werden kann. Das ist bei einem immunisierten Anteil der Bevölkerung von etwa 60 % der Fall und entspräche im Falle Deutschlands ungefähr 50 Millionen Impfungen (à zwei Dosen). Die aktuelle Menge der von Pfizer angeblich bereits produzierten Impfstoffe beträgt genau 50 Millionen.

Impfbereitschaft und persönliches empfundenes Infektionsrisiko der Deutschen

Der Chart zeigt die Impfbereitschaft gegen, sowie das empfundene Infektionsrisiko mit Covid-19 der Deutschen.
Quelle: Universität Hamburg, Hamburg Center for Health Economics

Die überschwängliche Marktreaktion dieser Woche deutet darauf hin, dass das Ende der Pandemie gemeinsam mit der Markteinführung des Impfstoffes erwartet wird. Dass die Normalität zurückkehren wird, sobald die Zulassung des Medikaments vorliegt. Um das Einhergehen der wirtschaftlichen Erholung mit der Einführung des Impfstoffes hat sich ein Narrativ gebildet, das jenem von Gold als sicherer Geldanlage gleicht, und somit falsche Hoffnungen weckt. Bis man sich in Deutschland an den Punkt der Herdenimmunität geimpft hat, kann es nämlich bis zu einem Jahr dauern. Der Gedanke, dass mit der Zulassung, oder auch der Markteinführung eines Impfstoffes die Normalität einkehren wird ist also Wunschdenken – im Jahr 2021 dürften die Einschränkungen weiterhin an der Tagesordnung stehen.

 

Die Ankündigung des Impfstoffs ist auch Thema der aktuellen Folge unseres Podcasts Carsten’s Corner.

Autor: Franziska Biehl