Whatever it takes – nicht nur bei der EZB

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3 min Lesedauer 27.11.2020

Die Europäische Kommission hat kürzlich die Entwürfe der Haushaltspläne der Eurozonen-Länder für 2021 veröffentlicht. Aus diesen gehen sowohl das Ausmaß der aktuellen Covid-19-Krise als auch die negativen Auswirkungen, welche die fiskalpolitischen Maßnahmen auf die Staatshaushalte der 19 Länder haben, deutlich hervor. Insgesamt ist in diesem Jahr ein Haushaltsdefizit der Eurozonen-Länder von knapp einer Billion Euro zu erwarten.

Laut unseren Berechnungen wird das Haushaltsdefizit 2020 ungefähr 12-mal höher liegen als im letzten Jahr. Während das Defizit 2019 noch bei 74 Milliarden Euro lag, erwarten wir 2020 ein Defizit von 959 Milliarden Euro. Im Durchschnitt wird das Haushaltsdefizit der Eurozone bei rund 8,3 % des BIP liegen. Ähnlich hohe Defizite waren zuletzt im Jahr 2010, resultierend aus der globalen Finanzkrise und der darauffolgenden europäischen Staatsschuldenkrise, zu beobachten. Das Defizit der Eurozone lag damals bei etwa 6,6 % des BIPs.

Haushaltsdefizite der Eurozonen-Länder 2020

Haushaltsdefizite der Eurozonen-Länder 2020, % des BIP
Quelle: Europäische Kommission

Auch für 2021 planen die Länder der Eurozone weiterhin mit einem Defizit von fast 700 Milliarden Euro, welches sich aufgrund der staatlichen Unterstützungen in Folge der erneuten Lockdowns weiter ausweiten könnte. Nicht all diese Schulden werden von den Eurozonen-Ländern selbst am Kapitalmarkt finanziert, da diese zum Teil auch Gelder von der EU erhalten. Auch die EU hat jüngst ihr Debüt am Kapitalmarkt vollzogen, mit den sogenannten EU Social Bonds. Hierzu hat die Kommission zwei Anleihen ausgegeben, in Höhe von 17 Milliarden Euro. Diese Anleihen werden für das sogenannte EU-SURE-Programm („Support to mitigate unemployment Risks in an Emergency”) verwendet und dienen somit der Sicherung der Arbeitsplätze in der aktuellen Krise.

Trotz der zu erwartenden Rekordschuldenaufnahme sind Sorgen vor einer neuen Schuldenkrise im nächsten Jahr (noch) unbegründet. Erstens werden die Regeln des Stabilitätspakts auch nächstes Jahr nochmals ausgesetzt. Und noch viel wichtiger, gibt es die EZB. Laut unseren Berechnungen haben die Staaten, inklusive der öffentlichen Hand, im nächsten Jahr einen Netto-Finanzierungsbedarf von mindestens 760 Milliarden Euro. Dies beinhaltet sowohl Anleihen als auch Geldmarktpapiere. Nach den letzten Ankündigungen der EZB-Präsidentin, Christine Lagarde, erwarten wir, dass die EZB die Anleihenkaufprogramme PEPP und PSPP im Dezember um weitere 500 Milliarden Euro ausweiten könnte. Unter der Annahme, dass die EZB diese Ausweitung durchführt, gehen wir davon aus, dass die EZB-Papiere mit einem Gesamtvolumen von bis zu gut einer Billion Euro kaufen könnte. Somit wären die Eurozonen-Länder nicht zwingend auf private Investoren angewiesen und könnte die EZB auch noch die zusätzlichen EU-Anleihen absorbieren.

Wie groß die Haushaltsdefizite der Eurozonen-Länder dieses und nächstes Jahr tatsächlich ausfallen werden, hängt weiterhin stark von der Entwicklung der Pandemie ab und wie schnell wir tatsächlich wieder zu einer „neuen Normalität“ zurückkehren können. Aus unserer Sicht wird die EZB jedoch weiterhin alles tun, um die monetären Konditionen für die Eurozone so günstig wie möglich zu halten. Damit folgt die EZB, auch unter Präsidentin Lagarde, weiterhin dem „Leitspruch“ ihres Vorgängers Mario Draghi: Whatever it takes!

Autor: Leon Ernst