Ungleichheit ist nicht nur einmal im Jahr

Chart of the Week

4 min Lesedauer 12.03.2021

Diese Woche wurde der Equal Pay Day begangen – ein symbolischer Tag, der uns vor Augen führt, dass wir von (finanzieller) Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen nach wie vor weit entfernt sind. Traditionelle Rollenverteilung, sowohl privat als auch beruflich, erschwert den Weg.

Der Equal Pay Day ist der Tag des Jahres, bis zu dem Frauen unentgeltlich arbeiten würden, würden sie ab dann das durchschnittliche Bruttogehalt der Männer erhalten. Wann der Equal Pay Day begangen wird, ergibt sich aus dem zuletzt veröffentlichten unbereinigten Gender Pay Gap. Im Jahr 2019 betrug dieser 19 %. Im vergangenen Jahr hat sich die Verdienstdifferenz leicht verringert, der unbereinigte Gender Pay Gap betrug 18 %.

Würde dieser symbolische Tag für verschiedene Wirtschaftsbereiche begangen, so ergäben sich große Unterschiede. Das zeigt unser Chart of the Week. Während die Verdienstlücke im öffentlichen Dienst mit 7 % verhältnismäßig gering ausfiel, lag der durchschnittliche Bruttoverdienst der Männer in der Privatwirtschaft 20 % über dem der Frauen. Diese Differenz könnte darin begründet sein, dass Gehälter in der Privatwirtschaft wesentlich flexibler verhandelt werden als im öffentlichen Dienst – und Frauen sich bei Gehaltsverhandlungen zurückhalten, wie eine Umfrage des Karriere-Netzwerks LinkedIn zeigt. Während 26 % der Männer angaben, weder vor Antritt eines neuen Jobs noch beim aktuellen Arbeitgeber ihr Gehalt verhandelt zu haben, lag der Anteil der Frauen bei 41 %. Frauen begründeten das häufig damit, dass sie sich bei der Frage nach einem höheren Gehalt nicht wohl fühlen würden. Am höchsten fiel der Gender Pay Gap mit 31 % im Bereich Kunst, Unterhaltung und Erholung aus. Beinahe gleich viel verdienten Frauen und Männer im Bereich Wasserversorgung; Abwasser und Abfallentsorgung und Beseitigung von Umweltverschmutzungen. Hier lag der Gender Pay Gap im Jahr 2020 bei 2 %.

Unbereinigter Gender Pay Gap 2020 nach Wirtschaftsbereichen

Der Chart zeigt den unbereinigten Gender Pay Gap für verschiedene Wirtschaftsbereiche.
Quelle: Statistisches Bundesamt

Generell lässt sich ein Großteil der unbereinigten Verdienstlücke durch strukturelle Faktoren erklären. Frauen arbeiten wesentlich häufiger in Teilzeit als Männer – zuletzt waren 46 % der Frauen zwischen 15 und 64 Jahren in Teilzeit angestellt, während es lediglich 9 % der 15-64-jährigen Männer waren. Zudem haben Frauen weniger Führungspositionen inne als Männer – laut einer Studie von EY sitzt in etwa 60 % der im DAX, MDAX und SDAX enthaltenen Unternehmen nicht eine Frau im Vorstand. Berücksichtigt man diese strukturellen Faktoren, was aufgrund der Datenlage lediglich alle vier Jahre möglich ist, erhält man den bereinigten Gender Pay Gap. Dieser wurde zuletzt 2018 veröffentlicht und lag zu diesem Zeitpunkt bei 6 %.

Die Bundesregierung forciert die Bekämpfung gewisser Ursachen des Problems seit einigen Jahren. Während bereits seit 2016 eine Frauenquote für Aufsichtsräte gilt, wurde diese zu Beginn des Jahres auch für die Vorstandsebene börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen beschlossen. Während dieses Gesetz von 80 % der Frauen begrüßt wurde, hielten es 53 % der Männer für keine gute Idee. Was bleibt, ist die nach wie vor traditionelle Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen, die hauptsächlich Frauen mit Kindern gehaltstechnisch schlechter dastehen lässt als Männer – und als ihre kinderlosen Mitstreiterinnen. Das lebenslange Einkommen einer Frau mit Kind liegt laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung um 43 % unterhalb dessen, was eine kinderlose Frau lebenslang verdient. Ein zweites und drittes Kind lässt die Lücke auf 54 bzw. 69 % wachsen.

Der Equal Pay Day erinnert in jedem Jahr an die bestehende Ungleichheit zwischen Männern und Frauen, allerdings bedarf der langfristige Abbau dieser Ungleichheit starker und dauerhafter Reformen wie z.B. flexibler Arbeitszeiten und besserer Kinderbetreuung – und Aufmerksamkeit an mehr als einem Tag im Jahr. Es wäre eine Verschwendung von Humankapital, wenn der Abbau der (finanziellen) Ungleichheit im selben Tempo vonstattengeht wie bisher. Denn dann gäbe es finanzielle Gleichberechtigung erst im Jahr 2075.

Autor: Franziska Biehl