Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt

Chart of the Week

4 min Lesedauer 16.04.2021

Kurz nach dem einjährigen Bestehen des Berliner Mietendeckels wurde dieser durch das Bundesverfassungsgericht als unzulässig erklärt. Während das Prinzip „Mietendeckel“ an der mangelnden Befugnis des Berliner Senats, solch ein Gesetz umzusetzen, gescheitert ist, könnte die gestrige Entscheidung die Senatswahlen im September spannend werden lassen.

Seit der Einführung des Berliner Mietendeckels im Februar des letzten Jahres waren die Meinungen über dieses Gesetz gespalten. Während der Beschluss, der eine Mietobergrenze für Immobilien, die vor 2014 errichtet wurden, vorsieht, besonders bei den Mietern auf Anklang stieß, sahen Vermieter, Bauträger und Investoren rot(-rot-grün). Denn im Detail bedeutete die Einführung des Mietendeckels unter anderem, dass Mieten für die rund 1,5 Millionen betroffenen Immobilien auf maximal 20 Prozent oberhalb der Mietobergrenze gesenkt werden mussten, sollte diese überschritten worden sein. Zudem durfte die Mieterhöhung nach Modernisierungsmaßnahmen maximal 1 Euro pro Quadratmeter betragen. Das hatte zur Folge, dass Immobilieneigentümer kaum noch Anreize in der Sanierung der Bestandsimmobilien sahen. Einer Umfrage von Engel & Völkers Commercial zufolge planten 78 Prozent der Immobilieneigentümer an Sanierungs- und Renovierungsmaßnahmen zu sparen, auch bei einem Mieterwechsel.

Eine andere Umfrage wurde vom info-Institut im Auftrag der Berliner Sparkasse durchgeführt. Im Februar dieses Jahres wurden die Berliner dazu befragt, welche Rechtsprechung sie im Falle des Mietendeckels erwarteten und ob sie für den Fall, dass der Mietendeckel für unzulässig erklärt würde, Geld beiseitegelegt hätten. Die Ergebnisse dieser Umfrage zeigt unser Chart of the Week.

Umfrage: Mietendeckel in Berlin

Der Chart zeigt die Ergebnisse der Umfrage zum Mietendeckel in Berlin
Quelle: info-Institut, im Auftrag der Berliner Sparkasse

Zwar waren die Meinungen, wie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ausfallen würde, recht ausgeglichen, während 64 Prozent der befragten Berliner entweder mit „weiß ich nicht“ oder mit „wird für unzulässig erklärt“ antworteten, waren sich jedoch 36 Prozent der Befragten sicher, dass der Mietendeckel Bestand haben würde. Ein Teil der Berliner dürfte somit am gestrigen Donnerstag recht überrascht gewesen sein, als das Gesetz der rot-rot-grünen Landesregierung für verfassungswidrig erklärt wurde.

Die Gemüter waren sich nun auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes uneinig. Nur waren es diesmal die Mieter, die aufgrund nun drohender Mietnachzahlungen die Landespolitik scharf kritisierten und auf die Senatswahlen im September verwiesen. Denn während zwar mehr als die Hälfte der Berliner entweder Geld gespart hatte, um eine etwaige Mietrückzahlung leisten zu können, oder darin keine Relevanz sahen, haben immerhin 41 Prozent kein Geld für die nun teilweise anstehenden Rückzahlungen beiseitegelegt. In Extremfällen könnte dies sogar zu Kündigungen führen, die bei einem Mietrückstand von einer Monatsmiete plus einem Euro vom Vermieter angesetzt werden könnten. So weit wird es aber wahrscheinlich zumindest nicht für alle Betroffenen kommen. Der Immobilienkonzern Vonovia hat bereits angekündigt auf Mietrückzahlungen zu verzichten. Möglicherweise werden weitere Vermieter diesem Beispiel folgen.

Ein weiterer Kritikpunkt vor dem gestrigen Rechtspruch war, dass der Mietendeckel das bezahlbare Mietangebot in Berlin eher gesenkt, als gesteigert habe. Bereits bevor der Mietendeckel offiziell eingeführt wurde, berichtete mehr als die Hälfte der Immobilienmakler in Berlin von einem Rückgang angebotener Mietwohnungen und einem Anstieg zum Verkauf stehenden Immobilien. Auch die Bauwirtschaft berichtete von sinkenden Auftragseingängen und der Befürchtung, dass der Berliner Immobilienmarkt Investoren verlieren würde.

Sollte das Wegfallen des Mietendeckels einen neuen Anreiz zur Investitionsaktivität schaffen, wäre dies aus rein volkswirtschaftlicher Sicht zu begrüßen. Zudem könnte die Schaffung von mehr Wohnraum auch dazu beitragen, dass die Mieten langfristig sinken. Die Frage nach bezahlbarem Wohnraum und Investitionen dürfte auf jeden Fall einmal mehr zum Thema werden, wenn es im September darum geht, den Berliner Senat zu wählen.

Zur Wirksamkeit von Instrumenten der Mietpreisregulierung waren die Deutschen übrigens schon im letzten Jahr geteilter Meinung – dies können Sie in unserer Studie „Nicht mal Corona kann den Immobilien-Boom stoppen“ nachlesen.

Autor: Franziska Biehl