Zu schön, um wahr zu sein
Chart of the Week
Gesucht ist ein Wort mit vier Silben und 12 Buchstaben, dass das Phänomen der Volkswirtschaftslehre zusammenfasst. Die Lösung lautet „Zusammenhang“. Doch manche Zusammenhänge scheinen fast zu schön, um wahr zu sein. Manchmal sind sie das auch, was sich durch den Unterschied zwischen Korrelation und Kausalität erklären lässt.
Zu erkennen, ob zwischen zwei Variablen eine Korrelation, also ein einfacher Zusammenhang, oder Kausalität, also eine tatsächliche Ursache-Wirkung-Beziehung vorliegt, kann auf den ersten Blick schwierig sein. So lässt sich zwischen dem Aufkommen von Storchenpaaren und der Anzahl von Geburten in einer Region zwar ein positiver Zusammenhang beobachten, dass die Storchenpopulation allerdings nicht dafür verantwortlich ist, wie viele Kinder geboren werden, wissen wir alle. Hier liegt also eine positive Korrelation vor, allerdings kann nicht von einer Ursache-Wirkung-Beziehung zwischen den beiden Größen gesprochen werden. Doch wie denken Sie verhält es sich mit dem Arbeiten im Home Office und der Produktivität? Korrelation oder Kausalität?
Seit dem Ausbruch der Pandemie wurde die Digitalisierung, nicht nur in Deutschland, stark vorangetrieben. Viele Arbeitnehmer wurden mit Laptop und Handy ausgestattet, tauschten den Anzug gegen die Jogginghose und funktionierten den Esstisch zum Schreibtisch um. Kurzum: sie arbeiteten aus dem Home Office heraus. Wäre es nicht fast zu schön, um wahr zu sein, wenn digitale Sprünge nach vorn tatsächlich dazu führen würden, dass die Arbeitsproduktivität höher liegt? Zuletzt war genau das der Fall. Unser Chart of the Week zeigt, dass die Arbeitsproduktivität pro Arbeitsstunde im Jahr 2020 in jenen Ländern, in denen ein großer Anteil der Beschäftigten für gewöhnlich oder manchmal im Home Office arbeiteten, größer war, als in den Ländern in denen das Arbeiten von zu Hause seltener vorkam.
Anteil an Beschäftigten mit Möglichkeit zur Arbeit im Home Office und Arbeitsproduktivität im Jahr 2020
Spanien und Italien beispielsweise, Länder, in denen nur ein relativ geringer Anteil an Arbeitnehmern von zu Hause aus arbeitete, sahen die geringste Arbeitsproduktivität pro Arbeitsstunde. In den Niederlanden waren es 40 Prozent der Arbeitnehmer, die für gewöhnlich oder zumindest manchmal die eigenen vier Wände zu Büroräumen umfunktionierten – und auch was die Produktivität betrifft, sind sie im Rennen ganz vorne mit dabei.
Dass hier nicht nur eine positive Korrelation, sondern tatsächlich ein Kausalzusammenhang besteht, zeigte die EZB in einer Studie aus dem Jahr 2021. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigten, dass die Produktivität, gemessen an der Wirtschaftsleistung pro Arbeitszeit, insbesondere in den Sektoren anzog, in denen die Mitarbeiter vermehrt von zu Hause arbeiten konnten. Dies war zum Beispiel in der Informations- und Kommunikations- oder der Finanzbranche der Fall. Doch auch insgesamt wurde die Produktivität in der Eurozone trotz der Krise gesteigert. Im zweiten Quartal des Jahres 2021 lag sie, den Ergebnissen zufolge, rund 2 Prozent oberhalb des Vorkrisenniveaus. Auch eine Stanford-Studie aus dem Jahr 2015, die in einem chinesischen Unternehmen bereits lange vor der Pandemie über zwei Jahre hinweg durchgeführt wurde, zeigte: Home Office erhöht die Produktivität. Und während ein hoher Grad an Digitalisierung, für den die Arbeit im Home Office durchaus als Indikator dienen kann, mit erhöhter Produktivität einhergeht, führt mehr Produktivität langfristig zu mehr Wirtschaftswachstum.
Die Mitarbeiter ins Home-Office schicken und so die Wirtschaftsleistung befeuern? Auch wenn manche Zusammenhänge zunächst klingen, als seien sie zu schön, um wahr zu sein: Die Kausalität zwischen den beiden Größen zeigt uns, dass Digitalisierung der Schlüssel zu starkem Wirtschaftswachstum in der Zukunft ist.