Der perfekte Sturm im Portemonnaie

Chart of the Week

4 min Lesedauer 19.08.2022

Wer sich schon immer gefragt hat, wie ein perfekter Sturm für die Wirtschaft aussieht: wir stecken mittendrin. Und im Winter dürfte der Sturm noch heftiger werden – die hohen Energiepreise werden durch die Gasumlage zusätzlich in die Höhe getrieben. Gut möglich, dass in den letzten Monaten des Jahres Inflationsraten im zweistelligen Bereich durch unsere Portemonnaies wehen.

Im August des vergangenen Jahres lag der durchschnittliche Gaspreis bei einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden noch bei 6,29 Cent pro Kilowattstunde. Aktuell wird laut dem Vergleichsportal Verivox ein durchschnittlicher Preis von 17,84 Cent pro Kilowattstunde aufgerufen. Bei einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden entspricht die Preissteigerung von 184 Prozent Mehrkosten von 2.310 Euro.

Und zum Ende des Jahres wird diese Entwicklung noch weiter befeuert. Denn ab Oktober gilt die Gasumlage. Seit die gelieferten Gasmengen aus Russland deutlich reduziert wurden, mussten Gasversorger an alternativen Stellen Gas einkaufen – zu wesentlich höheren Preisen. Die Mehrkosten sorgten bereits dafür, dass den Gasversorgern, unter anderem Deutschlands größtem Versorger Uniper, das Geld ausging. Um Pleiten und somit Lieferausfälle zu vermeiden, sollen die Verbraucher nun ab Oktober rund 90 Prozent der Mehrkosten tragen. Und zwar in Form eines Zuschlags von rund 2,42 Cent pro Kilowattstunde. Unklar ist bisher noch, in welcher Form Mehrwertsteuer auf die Zulage erhoben wird. Wäre es nach der Ampel-Koalition gegangen, wäre keine Mehrwertsteuer erhoben worden – dem erteilte die EU-Kommission allerdings eine Absage. Um die Zusatzbelastung für die Verbraucher trotzdem zu begrenzen, kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz am Donnerstag an, dass die Mehrwertsteuer auf Gas für den Zeitraum der Gasumlage von 19 auf 7 Prozent gesenkt werden soll.

Beitrag der Gasinflation zur Gesamtinflation

Der Chart zeigt den Beitrag der Gasinflation zur Gesamtinflation
Quelle: Eurostat; ING Economic & Financial Analysis

Dennoch werden im Winter noch einmal deutliche Preissteigerungen auf deutsche Haushalte zukommen. Bei einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden addieren sich durch die Gasumlage zu den ohnehin entstandenen Mehrkosten noch einmal 484 Euro – inklusive 7 Prozent Mehrwertsteuer sind es 518 Euro. Insgesamt läge die Mehrbelastung im Vergleich zum Vorjahr zum Jahresende somit bei etwa 2.828 Euro – unter der Voraussetzung, dass die Gaspreise nicht weiter steigen.

Nicht nur im Portemonnaie der Verbraucher werden die hohen Energiekosten zum Jahresende sichtbar werden, sondern auch in den Inflationszahlen – unser Chart of the Week zeigt, dass die Gasinflation immer mehr zur Gesamtinflation beiträgt. Im Juni waren es 1,3 Prozentpunkte, vor einem Jahr waren es noch 0,05. Und durch die Gasumlage dürfte sich dieser Trend verschärfen. Dem Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) zufolge dürfte die Inflation um 0,8 – 1,0 Prozentpunkte höher liegen als ohne die Umlage. Von fallenden Inflationsraten sollte sich also gedanklich verabschieden, wer darauf gehofft hatte. Zum Ende des Jahres ist es gut möglich, dass die Gesamtinflation im zweistelligen Bereich liegen wird – die Preise laufen so heiß, dass wir nicht nur aufgrund der hochsommerlichen Temperaturen ins Schwitzen geraten.

Gänsehaut beschert uns dafür der Gedanke an das, was die hohe Inflation bzw. die finanzielle Mehrbelastung für die deutsche Wirtschaft bedeutet. Nämlich eine ordentliche Wachstumsbremse. Eine Vollbremsung, könnte man sagen. Wer sich auf hohe Nachzahlungen einstellt, wird weniger Geld an anderer Stelle ausgeben – der private Konsum wird also deutlich leiden. Für die Unternehmen wächst neben den Energiekosten auch die Unsicherheit, was zu verringerten Investitionen führen dürfte. Und damit niemand beginnt sich zu langweilen, gesellt sich die Dürre als Preistreiber hinzu, die nicht nur die Schifffahrt beeinträchtigt, sondern auch die Stromerzeugung.

Wir brauchen beide Hände, um die aktuell herrschenden Krisen und Negativtreiber für die deutsche Wirtschaft zu zählen – einen gemeinsamen Nenner haben sie alle: sie treiben die Preise in die Höhe. Wir befinden uns in einem perfekten Sturm, der vor allem durch die Geldbörsen der Verbraucher weht. Mit all den Negativtreibern ist eine technische Rezession in Deutschland fast nicht mehr zu verhindern, um die Verbraucher aber vor einer tiefen Lebenshaltungskostenkrise zu bewahren, braucht es weitere staatliche Unterstützung. Könnte man doch nur mit heißen Preisen heizen…

Autor: Franziska Biehl