Immer auf die Kleinen?

Chart of the Week

3 min Lesedauer 07.10.2022

Nach drei Monaten Tankrabatt und 9-Euro-Ticket, die die Inflationsrate in den Monaten Juni bis August wenigstens geringfügig drücken konnten, hat die Preissteigerung im September mit 10,0 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat ihren Rekordkurs wieder aufgenommen. Die berichteten Zahlen beziehen sich auf die Verbraucherpreise und einen für Privathaushalte repräsentativen Warenkorb. Aber auch Unternehmen spüren die Teuerung ihrer Rohstoffe und Vorprodukte und vor allem von Energie. Insbesondere bei den Klein- und Kleinstunternehmen warnen Vertreter der Interessenverbände vor einer bevorstehenden Pleitewelle und mahnen staatliche Unterstützung an: In vielen Bäckereien und Friseursalons könnten andernfalls schon bald die Öfen und Föne ausgehen. Aber wie hart würde das die deutsche Wirtschaft tatsächlich treffen?

Sollten die aktuellen Probleme tatsächlich vor allem in den kleinsten Betrieben derartige Auswirkungen haben, wäre das sicher in der Breite spürbar: In mehr als 2 der rund 2,5 Millionen Unternehmen in Deutschland arbeiten weniger als 10 Personen. Tatsächlich sind die meisten auch von dieser Grenze noch weit entfernt: 2,6 Personen sind im Schnitt in deutschen Kleinstunternehmen tätig – mitarbeitende Inhaber eingeschlossen. 17,4 sind es in Kleinunternehmen. Diese Zahlen liefern allerdings auch schon einen Hinweis darauf, warum sich Unternehmen dieser Größenordnung von der Politik oft stiefmütterlich behandelt fühlen: Wie unser Chart der Woche zeigt, gehören zwar 97 Prozent aller Unternehmen diesen beiden Kategorien an – sorgen aber für unter 40 Prozent der Beschäftigung und unter 20 Prozent des Umsatzes.

Anteil an Anzahl, Beschäftigung und Umsatz nach Unternehmensgröße (Deutschland, 2020)

Der Chart zeigt, welchen Anteil Kleinst-, kleine, mittlere und Großunternehmen jeweils an der Gesamtzahl der Unternehmen, der tätigen Personen und des Umsatzes haben.
Quelle: Statistisches Bundesamt

Da erscheint es zunächst einmal durchaus nachvollziehbar, dass die Politik nach den dicken Fischen angelt: Die Bedingungen für 3 Prozent der Unternehmen lassen sich vermutlich leichter verbessern als die für 97 Prozent – und jeder Arbeitsplatz, der bei den mittleren und großen Unternehmen gerettet oder geschaffen werden kann, bringt im Schnitt die doppelte Wirtschaftsleistung. Und auch im Hinblick auf mediale Aufmerksamkeit kann es nicht verwundern, dass spektakuläre Rettungen – oder Rettungsversuche – angeschlagener Unternehmen durch die Politik meist Unternehmen mit 4- bis 5-stelliger Mitarbeiterzahl betreffen. Die Geschäftsaufgabe eines kleinen Einzelhandels- oder Handwerksbetriebs ist hingegen oft nur ein Thema für den Lokalteil der Zeitung.

Dennoch: Allein durch ihre schiere Anzahl haben auch Klein- und Kleinstunternehmen einen relevanten Anteil an Beschäftigten und Umsatz. Und noch einen Effekt hätte eine Pleitewelle unter den vielen derartigen Betrieben des Landes: Ein Konsumklima, das seit Monaten einen Negativrekord nach dem anderen schreibt, erholt sich vermutlich nicht besonders schnell, wenn die Verbraucher an jeder Straßenecke geschlossene Betriebe vor Augen haben – egal, wie viele Arbeitsplätze letztlich hinter jedem einzelnen „Geschäftsaufgabe“-Schild stehen.

Autor: Sebastian Franke