Der Fluch der guten Tat

Chart of the Week

2 min Lesedauer 14.04.2023

Nach einigem Hin und Her soll es nun zum 1. Mai 2023 an den Start gehen: das Deutschlandticket. Als Nachfolger des 9-Euro-Tickets soll es Nahverkehrsangebote deutschlandweit zu einem Preis von 49 Euro monatlich zusammenfassen. Der Vorgänger war eine der Maßnahmen, mit denen die Bundesregierung im Rekordinflationsjahr 2022 die Bürgerinnen und Bürger entlasten wollte. Von Juni bis August konnte der Nahverkehr bundesweit mit einem für 9 Euro erhältlichen Monatsticket genutzt werden.

Und die erhoffte Wirkung stellte sich auch ein: In Verbindung mit dem sogenannten Tankrabatt bewirkte das Ticket einen deutlichen Rückgang der Mobilitätskosten und half mit, den Trend rapide kletternder Inflationsraten zumindest für drei Monate zu brechen. Und auch den Beförderungszahlen half das 9-Euro-Ticket kräftig auf die Sprünge. Viele Menschen nutzten die günstige Mobilität zum spontanen Reisen. Mit fast 43 Milliarden Personenkilometern im Nah- und Fernverkehr mit Bussen und Bahnen wurde im 2. Quartal 2022 der höchste Wert überhaupt erzielt. Und das, obwohl sich die Anzahl beförderter Personen noch immer nicht ganz vom pandemiebedingten Einbruch im Jahr 2020 erholen konnte, wie unser Chart der Woche zeigt.

Beförderte Personen und Personenkilometer im Nah- und Fernverkehr mit Bussen und Bahnen

Der Chart zeigt den Verlauf der Anzahl beförderter Personen und der Personenkilometer in öffentlichen Verkehrsmitteln je Quartal von 2018 bis 2022.
Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen

Mobilität für alle erschwinglich zu machen, ist dieses Mal jedoch nicht das erklärte Ziel. Auch wenn das Deutschlandticket zum Preis von 49 Euro die Kosten eines Nahverkehrsabonnements in manchen Großstädten mehr als halbiert, stellt der Preis immer noch eine Hürde für viele Geringverdienende dar. Durch die Verstetigung des Angebots und das Lichten des Tarifdschungels soll vor allem ein Anreiz dafür geschaffen werden, ohnehin anstehende Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln statt mit dem Auto zu erledigen: Im Fokus stehen Pendler.

Dass das Deutschlandticket nicht von vornherein auch als Instrument sozialer Teilhabe konstruiert wurde, ist neben der im Vergleich zum 9-Euro-Ticket umständlicheren Abonnementstruktur dann auch einer der Hauptkritikpunkte am neuen Angebot. Der Fluch der guten Tat: Hätte es das niedrigschwellige Angebot aus dem Sommer 2022 nicht gegeben, wäre das jetzt eingeführte Ticket wohl als großer Wurf betrachtet worden.

Autor: Sebastian Franke