Rezessionsgeschichte

Chart of the Week

3 min Lesedauer 26.05.2023

Nun ist es also doch so weit. Hatte die Schnellschätzung Ende April zum Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal 2023 noch auf 0,0 Prozent im Vergleich zum Vorquartal gelautet, also weder eine Zu- noch eine Abnahme der Wirtschaftstätigkeit, wurde der Wert nun nach Vorliegen detaillierterer Daten revidiert: Statt der zunächst angenommenen Stagnation ist die deutsche Wirtschaft in den ersten drei Monaten des Jahres um 0,3 Prozent geschrumpft. Verantwortlich dafür war vor allem ein schwacher März – und weil zu diesem schon vor der BIP-Revision Daten vorgelegen hatten, waren viele Ökonomen bereits davon ausgegangen, dass es hier eine Korrektur würde geben müssen.

Nach -0,5 Prozent im vierten Quartal 2022 blicken wir nun also auf zwei aufeinanderfolgende Vierteljahre mit Negativwachstum – damit ist das technische Kriterium für eine Rezession erfüllt. Um eine solche Situation, die sich tatsächlich vor allem durch das Erfüllen dieses Kriteriums und nicht etwa durch einen dramatischen Einbruch der Wirtschaft auszeichnet, von einer schweren Krise abzugrenzen, wird daher oft auch von einer „technischen Rezession“ gesprochen. Blicken wir zurück auf die letzten 25 Jahre, war die Mehrzahl der verzeichneten Rezessionen von dieser „technischen“ Natur, wie unser Chart der Woche zeigt.

Quartalsweises BIP-Wachstum seit 1997 (in Prozent im Vergleich zum Vorquartal)

Der Chart zeigt die Wachstumsraten des deutschen Bruttoinlandsprodukts von Quartal zu Quartal seit 1997.
Quelle: Statistisches Bundesamt

Normalerweise ist es kein steiler Wachstumspfad, der nur durch eine kurze Delle unterbrochen wird. Zu einer „technischen Rezession“ kommt es vor allem in einem generell schwachen Wachstumsumfeld, in dem es gerade keine große Krise braucht, um das BIP-Wachstum hier und da unter die Nulllinie zu drücken. Das zeigt sich vor allem kurz nach der Jahrtausendwende: Ab April 2001 gab es 19 Quartale in Folge mit Wachstumswerten von weniger als 1 Prozent – und so kann es nicht verwundern, dass sich allein in diesen nicht ganz fünf Jahren drei der sieben Rezessionen des letzten Vierteljahrhunderts ereigneten. Aber selbst nach einem Null- und drei Negativquartalen in den Jahren 2001 und 2002 war die Wirtschaft insgesamt um nicht einmal 1 Prozent geschrumpft – unschön, aber nicht dramatisch also.

Von anderem Kaliber war da schon die Finanz- und Wirtschaftskrise der späten 2000er Jahre – vier Quartale in Folge schrumpfte die Wirtschaft immer stärker. Ein Minus von rund 7,5 Prozent der Wirtschaftsleistung stand von April 2008 bis März 2009 unter dem Strich.

Schnell vergessen schien hingegen zunächst der größte Quartalsverlust der Statistik: Fast zweistellig war der Einbruch im zweiten Quartal 2020 zu Beginn der Corona-Pandemie gewesen, fast ebenso groß fiel aber auch der Aufholeffekt im anschließenden Sommer aus. Doch in der Folge blieb das Geschehen volatil; Einbrüche aufgrund winterlicher Pandemiewellen wechselten sich mit solidem Wachstum ab.

Und gerade als man dachte, dass nach weitgehend überstandener Pandemie nun das Schlimmste hinter uns läge, sorgte der Krieg in der Ukraine für Energie- und andere Preisschocks und erneute Störungen von Lieferketten. Wie Ökonomen wohl in einem Vierteljahrhundert auf die aktuelle Rezession zurückblicken werden?

Autor: Sebastian Franke