Schöne „alte“ Makrowelt?
Chart of the Week
Wenn etwas vorbei geht, neigt man dazu, die Vergangenheit zu romantisieren. Schlechte Erinnerungen werden ausgeblendet und die rosaroten Momente bleiben. So ähnlich geht es auch uns Ökonomen, wenn wir auf die Makrowelt von März schauen, in der es für einen kurzen Moment Konjunkturoptimismus statt Zollgewitter und Vertrauensschwierigkeiten hieß. Doch auch in dieser „alten“ Makrowelt war nicht alles eitel Sonnenschein. Das zeigen die Ergebnisse des Bank Lending Survey der EZB.
Vergleicht man die konjunkturellen Stimmungsindikatoren des Monats März mit den aktuellen April-Daten entsteht der Eindruck, es müssten Welten zwischen den Veröffentlichungen liegen. Auf die Ankündigung der Bundesregierung, einen Investitionsfonds im Umfang von 500 Mrd. Euro aufzulegen und die Schuldenregeln zu lockern, war der Konjunkturoptimismus nach Deutschland zurückgekehrt. Der ifo-Index, Deutschlands prominentester Frühindikator, stieg auf den höchsten Wert seit Sommer 2024, der, zugegen, im längerfristigen Vergleich auch kein Spitzenwert war, aber immerhin. Auch die Einkaufsmanagerindizes zogen an – zwar nicht in einen Bereich, der kräftiges Wachstum implizierte, doch immerhin lag der Gesamtindex etwas außerhalb des Rezessions- bzw. Stagnationsbereichs. Doch das war im März. In einer Welt, in der es den „Liberation Day“ noch nicht gab, in der der Handelskrieg noch nicht eskaliert war. Und in der noch kein bleibender Vertrauensschaden angerichtet war, an dem eine 90-tätige Pausierung der „Vergeltungszölle“ auch nichts mehr ändern konnte. Im Übrigen auch eine Welt, in der der US-amerikanische Präsident nicht versuchte, die landeseigene Zentralbank unter Druck zu setzen, und so für zusätzliches Chaos an den Finanzmärkten sorgte.
Doch genau in dieser Welt befinden wir uns jetzt. Innerhalb weniger Wochen haben sich die Konjunkturaussichten dementsprechend wieder eingetrübt, zumindest die kurzfristigen. Der Einkaufsmanagerindex liegt wieder im Bereich, der ein Schrumpfen der Wirtschaft impliziert und auch wenn der ifo-Index für April überraschend positiv ausgefallen ist, spricht der Rückgang der Erwartungskomponente doch für einen gewissen Pessimismus in den deutschen Chefetagen. Währenddessen hat die Bundesregierung die Wachstumsprognose für dieses Jahr von 0,3 Prozent auf eine glatte Null gesenkt. Auch der Internationale Währungsfonds sieht auf zwei Rezessionsjahren eine Stagnation folgen. Unser Chart of the Week zeigt allerdings, dass auch in der „alten“ Makrowelt nicht alles eitel Sonnenschein war. Von anziehender Investitionslaune in der Privatwirtschaft war in den ersten drei Monaten des Jahres nämlich keine Spur.
Kreditnachfrage von Unternehmen und ausgewählte Treiber
(Q1 2025, Nettoprozentsatz)
Das implizieren zumindest die Ergebnisse des Bank Lending Survey der Europäischen Zentralbank, in dem Banken in der Eurozone in jedem Quartal unter anderem Auskunft über die Kreditnachfrage von Haushalten und Unternehmen im vergangenen Quartal, sowie über die Treiber hinter der Veränderung geben. Für das erste Quartal 2025 berichteten zwar mehr Banken von einer gestiegenen Kreditnachfrage von Unternehmen als von einer rückläufigen Nachfrage, doch die Erholung der Kreditnachfrage verlangsamte sich im Vergleich zu den Vorquartalen deutlich.
Zwar hat das generelle Zinsniveau, und damit der bisherige Zinssenkungszyklus der EZB sowie die Erwartungen an weitere Zinssenkungen, einen positiven Effekt auf die Kreditnachfrage ausgeübt. Negativ wirkte es sich allerdings aus, dass mehr Banken von einer rückläufigen als einer gestiegenen Nachfrage nach Kapital für Investitionen berichteten. Da Anfang März, und somit kurz vor dem Ausfüllen der Umfrage, das große fiskalpolitische Rambo-Zambo inklusive Infrastruktur-Investitionsfonds angekündigt wurde, ist es daher wenig überraschend, dass die Banken für das zweite Quartal einen deutlicheren Anstieg der Nachfrage nach Unternehmenskrediten erwarteten.
Weniger optimistisch stimmt allerdings, dass einige Banken wirtschaftliche und (geo-)politische Unsicherheiten als einen weiteren Faktor angaben, der die Langzeitplanung von Unternehmen belastete. Und das bereits Mitte März. Sprich: auch in der „alten Makrowelt“ wurde die Investitionsaktivität durch das hohe Niveau an Unsicherheit belastet. Und mit Blick auf die Welt, in der wir uns nun befinden, verspricht das für die kurzfristigen Aussichten wenig Gutes. Unsicherheit und Investitionsfreunde sind schlicht und ergreifend kein hübsches Paar. Längerfristig dürfte das fiskalpolitische Rambo Zambo durchaus positiv auf Investitionen und Wirtschaftswachstum wirken, kurzfristig braucht es aber weitere Maßnahmen, um das hohe Maß an Unsicherheit zu kompensieren. Das dürfte auch die EZB so sehen.
Die in dieser Woche veröffentlichten Frühindikatoren, die ersten Einblicke in die „neue Makrowelt“, dürften von den Zentralbankern dabei besonders genau betrachtet werden. Denn die EZB entscheidet nicht mehr einfach nur in Abhängigkeit von der Datenlage, sondern „data dependent to the extreme“, wie EZB-Präsidentin Lagarde am Dienstag verkündete. Dass auch in der „alten Makrowelt“ nicht alles rosarot war, dürfte die hauseigene Umfrage der EZB verdeutlicht haben. Und neben dem erstarkten Euro, Wachstumssorgen und Marktturbulenzen, als weitere Bestätigung dienen, den Zinssenkungszyklus bis zum Ende des Sommers fortzusetzen.