Industrielle Frühlingsgefühle?

Chart of the Week

Der März 2025 brachte dem verarbeitenden Gewerbe in Deutschland einen Lichtblick: Auftragseingang und Umsatz entwickelten sich positiv. Beim Umsatz war das in vier der letzten fünf Monate der Fall; der Auftragseingang schwankte stärker, lag im März aber immerhin höher als ein Jahr zuvor. Die deutschen Exporte sind sogar im fünften Monat in Folge gestiegen, auch wenn der jüngste Anstieg vermutlich einem „Frontloading“, also einer Vorwegnahme von Lieferungen, im Hinblick auf den bevorstehenden Zollstreit geschuldet war. Die Importe lagen trotz eines leichten Rückgangs höher als im März 2024.

Aber sind die zuletzt etwas besseren Zahlen wirklich ein Grund für Frühlingsgefühle? Ein Blick auf unseren Chart der Woche hilft bei der Einordnung.

Für Auftragseingang und Umsatz ist anhand der Indexierung auf das Jahr 2021, dessen Durchschnitt einem Indexwert von 100 entspricht, leicht abzulesen, dass beide Werte trotz der aktuellen Erholung noch deutlich von vergangenen Glanzzeiten entfernt sind. Tatsächlich lag der Auftragseingang zuletzt im ersten Corona-Jahr 2020 und davor im Jahr 2013 so niedrig wie in jüngerer Vergangenheit. Beim Umsatz müssen wir sogar bis ins Jahr 2011 zurückschauen, um vor der Pandemie ähnlich niedrige Werte zu finden wie zuletzt – damals erholte sich die Wirtschaft gerade erst von den Auswirkungen der globalen Finanzkrise.

Die aktuelle Erholung und der Blick zurück

Importe, Exporte sowie Auftragseingang und Umsätze im verarbeitenden Gewerbe (alle kalender- und saisonbereinigt)

Der Chart zeigt die monatlichen Werte der genannten Kennzahlen seit 2021.
Quelle: Statistisches Bundesamt

In Sachen Aus- und Einfuhr scheint die Lage nicht ganz so düster. Die aktuellen Zahlen liegen hier zumindest deutlich über den Vor-Pandemie-Werten – auch wenn dazu sicher beiträgt, dass Außenhandelszahlen nicht preisbereinigt werden. Dafür enthüllt der Blick in die Vergangenheit ein anderes Problem. Auf dem bisherigen Höhepunkt im September 2022 lagen rund 5 Milliarden Euro zwischen Ex- und Importen – mittlerweile sind es über 20.

Was auf den ersten Blick Erinnerungen an gute, alte Exportweltmeisterzeiten wachruft, ist in Wirklichkeit vor allem Ausweis einer schwächelnden Inlandsnachfrage. Diese zeigt sich auch in den detaillierteren Daten zu Auftragseingang (in 25 von 30 Monaten Auslandsindex höher als Inlandsindex) und Umsatz (in 30 von 30 Monaten Auslandsindex höher als Inlandsindex) in diesem Zeitraum. Das liegt auch nicht daran, dass die Indexierung auf das Jahr 2021 einen Pandemiezustand mit geringerer Bedeutung des Außenhandels zum Maßstab gemacht hätte – zumindest ließe sich damit kaum erklären, warum die gleichen Indizes in den Jahren vor Corona regelmäßig höhere Inlands- als Auslandswerte lieferten.

Aber all diesen Relativierungen zum Trotz – ein Muster ohne Wert sind die jüngsten Zahlen dann doch nicht. Zumindest deuten sie darauf hin, dass eine Talsohle erreicht sein könnte. Und auch wenn sich die tatsächlichen Auswirkungen der derzeitigen Handelsstreitigkeiten erst noch zeigen werden, stünde eine zyklische Erholung der deutschen Industrie jedenfalls gut zu Gesicht.

Autor: Sebastian Franke