Trendwende

Chart of the Week

Deutschland büßt mehr und mehr an Wettbewerbsfähigkeit ein – diese Schlagzeile dominierte in den vergangenen Jahren nicht nur die Wirtschaftsnachrichten, sondern auch unsere Prognosen, Publikationen und Gespräche. Und ganz ehrlich? Nicht nur Sie können das nicht mehr hören. Und darum Schluss damit. Denn zu unser aller Glück gab es diese Woche gute Nachrichten: im globalen Ranking hat sich die deutsche Wettbewerbsfähigkeit endlich mal wieder verbessert und ist zurück in den Top 20.

Die Gründe für Deutschlands Verlust der Wettbewerbsfähigkeit sind vielfältig…

Bröckelnde Infrastruktur, Innovationsarmut, hohe bürokratische und regulatorische Hürden und das Festhalten an einem auf schwachen Füßen stehenden Businessmodell – es gibt viele Gründe, warum Deutschland in den vergangenen Jahren an Wettbewerbsstärke eingebüßt und sich den Titel des „kranken Mannes Europas“ zurückgeholt hat. Und das ist tatsächlich nicht einfach nur eine Schlagzeile, mit der Wirtschaftszeitungen oder Volkswirte sich gern schmücken, sondern ein Trend, der sich in verschiedenen Daten und Messungen widerspiegelt. Beispielsweise ist Deutschland schon länger nicht mehr der Wachstumsmotor der Eurozone, sondern hat sich vielmehr zur Wachstumsbremse entwickelt. Fragt man außerdem Unternehmen nach der Einschätzung zur eigenen Wettbewerbsstärke, so wird diese in Deutschland wesentlich schwächer eingestuft als in anderen großen Industrienationen der Eurozone.

…doch es geht endlich wieder bergauf

Und dann gibt es noch Indikatoren, die die verschiedensten harten (z. B. Wirtschaftswachstum) und weichen (z. B. Umfrageergebnisse) Faktoren kombinieren, um ein vollumfängliches Bild der Wettbewerbsstärke einer Volkswirtschaft zu zeichnen. So wie das World Competitiveness Ranking des International Institutes for Management Developments (IMD), das einmal im Jahr erscheint und als eine Art Bestenliste der globalen Wettbewerbsfähigkeit zu verstehen ist. Eine Bestenliste, auf der Deutschland vor gut einem Jahrzehnt noch ganz oben mitspielte, zuletzt aber eher im Mittelfeld rangierte. Unser Chart of the Week zeigt allerdings, dass sich Deutschland in diesem Jahr einige Plätze nach vorn kämpfen konnte – was im Umkehrschluss nahelegt, dass der „kranke Mann“ auf dem Weg der Besserung sein könnte.

IMD World Competitiveness Ranking

(Ranking unter den 69 bewerteten Volkswirtschaften)

Der Chart die die Platzierung Deutschlands im IMD-Wettbewerbsfähigkeitsranking.
Quelle: IMD

Nachdem Deutschland unter den im vergangenen Jahr bewerteten 67 Volkswirtschaften noch auf dem 24. Platz landete, erreichte die deutsche Wettbewerbsfähigkeit in diesem Jahr Platz 19 von 69. In den Top 20, unter denen Deutschland zum ersten Mal seit dem Jahr 2022 wieder mitspielen darf, war das im Vergleich zum Vorjahr die zweitstärkste Verbesserung. Nur Kanada, dieses Jahr Platz 11 im Wettbewerbsfähigkeitsranking nach Platz 19 im Jahr 2024, verbesserte sich noch stärker.

Das Ranking des IMD wird in jedem Jahr anhand von insgesamt 341 Kriterien aus den vier Bereichen Wirtschaftsleistung, Effizienz der Regierung, Effizienz der Unternehmen und Infrastruktur bestimmt. Im diesjährigen Ranking konnte sich Deutschland in allen Bereichen verbessern. In der Infrastruktur-Komponente rückten mit dem 13. Platz sogar die Top 10 in erreichbare Nähe, nach Platz 20 im vergangenen Jahr.

Von Herausforderungen der Gegenwart…

Waren wir Volkswirte also viel zu pessimistisch und um die hiesige Infrastruktur steht es gar nicht so schlecht? Hier lohnt der Blick unter die Oberfläche – denn wirklich gute Platzierungen gibt es nur für die wissenschaftliche Infrastruktur und für Gesundheit und Umwelt. Sowohl im Bereich Basis-Infrastruktur, technologische Infrastruktur, und Bildung liegt Deutschland nur im Mittelfeld – und zwar trotz Verbesserungen im Vergleich zum Vorjahr. Ergebnisse, die die jüngste PISA-Studie oder aktuelle Berechnungen zum Investitionsstau in Deutschland belegen. Passend dazu werden im IMD-Report auch einige der größten Herausforderungen für die Zukunft der deutschen Wettbewerbsfähigkeit in diesem Bereich verordnet. Zum Beispiel die Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung voranzutreiben, wirtschaftspolitische Maßnahmen zu ergreifen, um Anreize für ausländische Direktinvestitionen zu schaffen, oder die Innovationen voranzutreiben, um eine zukunftsfähige Wirtschaft zu schaffen und den Arbeitsplatzverlust in Traditionsbranchen wie der Automobilindustrie zu limitieren. Und dann haben wir doch wieder die alte Leier.

…zu Chancen auf mehr Erholung in der Zukunft

Unser Anspruch sollte größer sein, aber in der jetzigen Situation ist ein 19. Platz Grund zur Freude. Wie in der Gesamtwirtschaft ist allerdings eine Verbesserung von extrem niedrigen Niveaus noch kein Aufschwung – für den braucht es mehr. Mehr Planungssicherheit, mehr Investitionsaktivität und mehr Fokus auf die strukturellen Herausforderungen der Zukunft. Und trotz aller berechtigter Kritik am Koalitionsvertrag und den ausbleibenden Strukturreformen, in einigen Punkt wird genau an der richtigen Stelle angesetzt. Jedenfalls wenn man dem IMD glauben darf. Im Bereich Steuerpolitik liegt Deutschland im IMD-Wettbewerbsfähigkeitsranking nämlich nur auf Platz 61. Die angekündigte Senkung der Körperschaftssteuer sowie die beschleunigte Abschreibung von Unternehmensinvestitionen könnte im nächsten Jahr einige Punkte bringen. Für einen Platz unter den Top 10 wird es dann wahrscheinlich noch nicht reichen, aber einen Anfang für die verbesserte deutsche Wettbewerbsfàhigkeit können wir dieses Jahr schon feiern. Man wird ja bescheiden.

Autor: Franziska Biehl