Reales Plus

Chart of the Week

Die deutschen Arbeitnehmer konnten sich im ersten Quartal über einen Reallohnzuwachs gegenüber dem Vorjahresquartal freuen. Von einem Nominallohnanstieg von 3,6 Prozent ließ die durchschnittlich 2,3 Prozent betragende Inflation real noch 1,2 Prozent übrig. Das erste Quartal des Jahres 2025 war dabei das mittlerweile achte hintereinander mit positiver Reallohnentwicklung. Seitdem 2023 das Tempo des allgemeinen Preisanstiegs abzunehmen begann, blieb also während der letzten zwei Jahre in jedem einzelnen Quartal unter dem Strich ein Plus im Vergleich zum Vorjahresquartal übrig.

Aber wenn sich die derzeitige Situation trotzdem noch nicht so ganz nach guter, alter Zeit anfühlt, dann täuscht dieses Gefühl nicht. Bis ins Jahr 2007 reicht die Zeitreihe des Statistischen Bundesamtes zu Nominal- und Reallöhnen zurück; seit 2008 sind also Vergleiche mit dem Vorjahreszeitraum möglich – und vor der Corona-Pandemie war die Reallohnentwicklung in 40 von 49 Quartalen positiv im Vergleich zum Vorjahresquartal (und lag einmal bei null). Wie unser Chart der Woche zeigt, gab es von 2014 bis 2020 ganze 25 Quartale in Folge mit Reallohnzuwächsen – also etwa dreimal so viele wie aktuell.

Der Grund dafür war die dauerhaft niedrige Inflation in diesem Zeitraum. In den 2010er Jahren wurde der Zielwert der Europäischen Zentralbank von 2 Prozent nur selten erreicht – auch von Lohnsteigerungen, die sich auf den ersten Blick deutlich bescheidener ausnahmen als die der letzten Jahre, blieb daher unter dem Strich noch einiges übrig.

Was bleibt vom Gehaltszuwachs?

Reallöhne, Nominallöhne und Verbraucherpreise (Veränderung zum Vorjahresquartal in %)

Der Chart zeigt für Reallohnindex, Nominallohnindex und Verbraucherpreisindex jeweils die prozentuale Veränderung gegenüber dem Vorjahresquartal seit 2008.
Quelle: Statistisches Bundesamt

Dass die Nominallohnkurve tatsächlich einmal den negativen Bereich erreicht, dass also schon vor der Inflationsbereinigung ein Minus zu verzeichnen ist, kommt dabei äußerst selten vor. Im Betrachtungszeitraum trifft das auf gerade einmal vier Quartale zu. Drei davon (II/2020, III/2020 und I/2021) lagen im ersten Pandemiejahr. Davor war es zuletzt II/2009 dazu gekommen, als die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise auch in Deutschland ihren Höhepunkt erreichte und das Bruttoinlandsprodukt um fast 8 Prozent einbrach.

Aber es ist nicht nur der Vergleich mit über sechs Jahren steigender Reallöhne am Stück während der 2010er Jahre, der den Blick auf die eigentlich doch erfreuliche Entwicklung der letzten beiden Jahre trübt. Tatsächlich haben acht aufeinanderfolgende Quartale steigender Reallöhne schlicht und einfach noch nicht ausgereicht, um die Kaufkraftverluste der Vorjahre wettzumachen. Auch wenn der Nominallohnindex inzwischen um rund 20 Prozent höher liegt als im ersten Quartal 2020, haben die Reallöhne aufgrund der zwischenzeitlichen Preissteigerungen das damalige Ausgangsniveau noch nicht ganz wieder erreicht.

Und während sich der Anstieg der Nominallöhne seit fünf Quartalen verlangsamt, hat sich die Inflation zunächst in der Nähe des EZB-Zielwerts von 2 Prozent stabilisiert und dürfte mit Blick auf den Nahostkonflikt und dessen Auswirkungen auf die Energiepreise wohl in absehbarer Zeit kaum weiter nachgeben. Wetten werden noch angenommen, ob die Reallöhne in absehbarer Zeit wieder ihr Vor-Pandemie-Niveau erreichen.

Autor: Sebastian Franke