Deutschland setzt sich lieber ins gemachte „grüne Nest“
Chart of the Week
Bereits seit einigen Jahren heißt es nicht mehr nur „Lage, Lage, Lage“, wenn man nach den drei Kaufkriterien für eine Wohnimmobilie fragt. Der Faktor „Energieeffizienz“ hat sich längst dazugesellt. Die Ergebnisse des jüngsten Bank Lending Survey der EZB zeigen außerdem: was den Grünheitsgrad der eigenen vier Wände betrifft, so scheint Deutschland sich am liebsten ins gemachte grüne Nest zu setzen. Aus ganz alt so gut wie neu machen, scheint aktuell weniger attraktiv.
Am Immobilienmarkt geht es weiter aufwärts – die Nachfrage nach Wohnungsbaukrediten ist, den Ergebnissen des Bank Lending Survey der Europäischen Zentralbank zufolge, auch im zweiten Quartal weiter gestiegen. Grund dafür waren, der unter deutschen Banken quartalsweise durchgeführten Umfrage nach, vor allem das günstigere Zinsniveau sowie die Tatsache, dass deutsche Haushalte die Aussichten am Wohnimmobilienmarkt als positiv beurteilten. Für das vor uns liegende dritte Quartal erwarten die befragten deutschen Banken, dass die Nachfrage nach Wohnungsbaukrediten weiter zunehmen wird. Auch wir gehen davon aus, dass die Erholung am Wohnimmobilienmarkt sich fortsetzen wird, wenn auch in verhaltenem Tempo.
Neu sind diese Aussichten und Prognosen für aufmerksame Leser unseres Blogs nicht. Und tatsächlich kann es sich in Zeiten, in denen der konjunkturelle Blick auf die Dinge wenig aufregend ist, lohnen, bei den strukturellen Faktoren genauer hinzusehen. Und genau das hat die EZB in dieser Runde der Umfrage getan. Die teilnehmenden Banken haben im Juli nicht nur ihre Einschätzung über die Veränderung der Kreditbedingungen oder die Kreditnachfrage für Wohnungsbaukrediten insgesamt geteilt, sondern auch über den Einfluss von klimabezogenen Faktoren auf die Nachfrage nach Wohnungsbaukrediten für verschiedene Energieeffizienzklassen. Wie unser Chart of the Week zeigt, spiegeln die Ergebnisse wider, dass der Trend eindeutig zum grünen Wohnen geht.
Bank Lending Survey „Einfluss klimabezogener Faktoren auf die Nachfrage nach Wohnungsbaukrediten“
(Nettosaldo)
Obwohl die Umfrage auch ergab, dass Investitionen in die Energieeffizienz von Gebäuden sich positiv auf die Wohnungsbaukreditnachfrage privater Haushalte ausgewirkt haben, scheint es allerdings, als ob deutsche Haushalte sich lieber direkt in Immobilien mit gutem oder relativ gutem Energielabel niederlassen als die Modernisierungskeule zu schwingen. Besonders deutliche positive Auswirkungen hatten in den vergangenen 12 Monaten klimabezogene Faktoren nämlich auf die Nachfrage nach Krediten für jene Immobilien, die keiner weiteren Modernisierung benötigen – Neubauten, oder Gebäude, die in Bezug auf die Energieeffizienz neuwertig sind. Auf die Nachfrage nach Finanzierungen für Gebäuden mit relativ guter Energieeffizienz, die zwar nicht neuwertig sind, bei denen aber umfangreiche energetische Sanierungen stattgefunden haben, wirkten klimabezogene Faktoren sich ebenfalls positiv aus. Lediglich Altbauten, bei denen noch keine umfangreichen Modernisierungsmaßnahmen ergriffen wurden, sanken durch klimabezogene Faktoren in der Gunst der Kreditnehmer.
Geht man davon aus, dass man zu dieser Gruppe auch die Immobilien mit dem schlechtesten Energieeffizienzlabel H hinzuzählen kann, sind mehr als ein Drittel des deutschen Wohnungsbestands, oder knapp 7 Millionen Wohnimmobilien, durch klimabezogene Faktoren unattraktiver geworden. Für die vor uns liegenden 12 Monate erwarten die befragten Banken, dass diese Entwicklung sich fortsetzen wird. Kein gutes Vorzeichen, um das von der Europäischen Kommission vorgegebene Ziel zu erreichen, 55 Prozent der in der Novelle der EU-Gebäuderichtlinie beschlossenen Energieeinsparungen durch die Sanierung der 43 Prozent Wohngebäude mit der schlechtesten Energieeffizienz zu erzielen. Übertragen auf den deutschen Wohnimmobilienmarkt entspricht das nämlich allen Wohnimmobilien der Energieeffizienzklassen F, G und H, sowie rund der Hälfte der Wohnimmobilien der Energieeffizienzklasse E. Noch ist die Novelle nicht in nationales Recht umgesetzt worden, dafür ist noch bis Ende Mai 2026 Zeit.
Die Unsicherheit darüber, wie die regulatorische Landschaft in Bezug aufs grüne Wohnen in Zukunft aussehen wird, ist übrigens ein Faktor, der sich laut Bank Lending Survey in Deutschland negativ auf die Nachfrage nach Wohnungsbaukrediten auswirkt.
Wenn die grüne Wende am deutschen Wohnimmobilienmarkt aber gelingen soll, muss aus Alt Neu machen mindestens so attraktiv sein, wie sich ins gemachte grüne Nest zu setzen. Und dazu braucht es Planungssicherheit, klare Ansagen aus Berlin, und, zu guter Letzt, zielgerichtete Förderungen.