Wie unabhängig ist die Fed?
Chart of the Week
Die Unabhängigkeit von Zentralbanken gilt als eine der tragenden Säulen stabiler Geldpolitik. Doch in den USA wird dieses Prinzip derzeit auf eine harte Probe gestellt. Präsident Donald Trump hat in den vergangenen Wochen wiederholt öffentlich Kritik an dem Vorsitzenden der US-Notenbank (Fed) Jerome Powell geäußert und bezeichnet diesen spöttisch als „Mr. Too Late“. Hintergrund ist Powells zurückhaltende Haltung gegenüber weiteren Zinssenkungen, da noch Unsicherheit darüber besteht, wie stark Trumps eigene Zollpolitik die Inflation befeuern wird. Trump hingegen erhofft sich von niedrigeren Zinsen eine Belebung der Konjunktur sowie geringere Finanzierungskosten für den Staatshaushalt. Zwar betonte er zuletzt, dass eine Absetzung Powells ein drastischer Schritt wäre, den er derzeit nicht für notwendig halte, doch die Debatte darüber hat bereits spürbare Unruhe an den Finanzmärkten ausgelöst.
Die Diskussion um die politische Einflussnahme auf die US-Notenbank wirft zwei grundsätzliche Fragen auf: Wie unabhängig ist die Fed im internationalen Vergleich und wie lässt sich das überhaupt messen? Beispielsweise mit dem Central Bank Independence Extended Index, einem Index der die Unabhängigkeit der Zentralbank für insgesamt 155 Länder misst. Unser Chart of the Week zeigt die Ergebnisse für die G7-Länder. Für den Index werden sechs verschiedene Kategorien betrachtet, die beispielsweise das Ziel der Geldpolitik und die Transparenz der Zentralbank untersuchen. Jede dieser Kategorien wird anhand mehrerer Kriterien bewertet, wobei insgesamt 42 Fragen in die Berechnung einfließen. Dazu zählen etwa, wer den Präsidenten der Zentralbank ernennt und welche weiteren Akteure ein Mitspracherecht bei der Gestaltung der Geldpolitik haben. Der finale Index ergibt sich als Durchschnitt der sechs Kategorien und liegt zwischen 0 und 1, wobei 0 für keinerlei institutionelle Unabhängigkeit steht und 1 für eine vollständig unabhängige Zentralbank. Der Index versucht allerdings lediglich, die gesetzlich verankerte Unabhängigkeit zu messen – eine Größe, die nicht zwangsläufig mit der tatsächlichen institutionellen Realität übereinstimmen muss.
Unabhängigkeit der Zentralbanken der G7 Staaten
(Indexwert und Platzierung im Gesamtranking; 2023)
Der Chart of the Week zeigt: Die institutionelle Unabhängigkeit der Zentralbanken variiert innerhalb der G7 deutlich. Während die Europäische Zentralbank (EZB) mit einem Wert von 0,9 an der Spitze steht, befindet sich die japanische Zentralbank nicht nur unter den G7-Staaten, sondern auch insgesamt am unteren Ende der Skala und liegt auf Platz 109 von 113 möglichen Plätzen. Die US-Notenbank liegt mit einem Indexwert von 0,61 insgesamt nur im Mittelfeld und weist damit eine deutlich geringere Unabhängigkeit auf als die EZB.
Besonders schwach schneidet die Fed im Vergleich zur EZB in der Kategorie „Governor and Central Bank Board“ ab, also bei Fragen zur Zusammensetzung und Unabhängigkeit des Zentralbankvorstands. Das ist bemerkenswert, da genau diese institutionelle Schwäche die aktuelle Debatte rund um Zentralbankchef Jerome Powell befeuert. In der Eurozone ist die Entlassung des EZB-Präsidenten, oder der Präsidentin, nämlich beinahe unmöglich und kann nur über den europäischen Gerichtshof geschehen, falls schweres Fehlverhalten erfolgt ist. In den USA hingegen ist es für den Präsidenten grundsätzlich möglich den Vorsitzenden der Federal Reserve abzuberufen. Zwar ist eine Entlassung nur „for cause“ zulässig, also aus rechtlich triftigem Grund wie etwa bei nachweisbarer Pflichtverletzung oder Amtsmissbrauch und nicht bei Meinungsverschiedenheiten über die Geldpolitik, doch die rechtliche Möglichkeit besteht grundsätzlich.
In den vergangenen Wochen hat Donald Trump versucht, genau einen solchen triftigen Grund zu konstruieren: Er warf Powell Missmanagement bei den Renovierungsarbeiten am Fed-Hauptsitz vor. Die Ausgaben seien aus dem Ruder gelaufen, ein Vorwurf, den Powell zurückwies. Doch selbst wenn diese Kritik juristisch haltlos bleibt, verdeutlicht sie, dass die institutionellen Rahmenbedingungen in den USA prinzipiell Raum für politischen Druck auf die Notenbank lassen.
Sollte Powell tatsächlich gefeuert werden, wäre dies ein beispielloser Vorgang in der Geschichte der US-Notenbank. Eine solche Abberufung hat es in über 100 Jahren Federal Reserve noch nie gegeben und würde mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht nur einen Rechtsstreit nach sich ziehen, sondern auch erhebliche Unruhe an den Finanzmärkten und eine Phase wirtschaftlicher Unsicherheit auslösen.
Dabei kann sich Präsident Trump den Aufwand rund um eine mögliche Abberufung Jerome Powells vermutlich sparen. Denn Powells reguläre Amtszeit als Vorsitzender der Federal Reserve endet ohnehin bereits im Mai 2026. Zwar läuft sein Mandat als Mitglied des siebenköpfigen Board of Governors noch bis Januar 2028, doch ob er dieses bis zum Ende ausüben wird, bleibt offen. US-Finanzminister Scott Bessent hat ihn bereits öffentlich dazu aufgefordert, dem Beispiel seiner Vorgängerin Janet Yellen zu folgen und nach Ablauf seiner Amtszeit als Vorsitzender auch diesen Posten niederzulegen. Ironischerweise war es übrigens Donald Trump selbst, der Powell im Jahr 2017 für das Amt nominiert hatte – ein Detail, das der aktuellen Debatte eine besondere Note verleiht.