Mieter-Nation Deutschland: Trendwende im Osten?

Chart of the Week

Deutschland gilt traditionell als Mieterland. Während die durchschnittliche Wohneigentumsquote in der Europäischen Union bei rund 68 Prozent liegt, lebte letztes Jahr in Deutschland nicht einmal jeder zweite Haushalt im eigenen Heim. Damit bildet die Bundesrepublik das Schlusslicht im europäischen Vergleich. Eine Trendwende ist bislang nicht erkennbar. Im Gegenteil: Die Wohneigentumsquote ist weiter gesunken. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts betrug die Eigentumsquote in Deutschland im Jahr 2011 immerhin noch 45,9 Prozent, im Jahr 2022 waren es lediglich 44,3 Prozent. Ein Blick unter die Oberfläche offenbart jedoch regionale Differenzen und unterschiedliche Entwicklungen.

Spitzenreiter in Sachen Eigentumsquote ist das Saarland mit fast 60 Prozent. Dahinter folgt das benachbarte Bundesland Rheinland-Pfalz mit 54 Prozent. Die geringsten Werte finden sich in den Stadtstaaten Berlin und Hamburg mit 16 beziehungsweise 22 Prozent.

Unser Chart der Woche zeigt außerdem die Veränderung der Wohneigentumsquote zwischen 2011 und 2022 pro Bundesland. Und tatsächlich ist die Wohneigentumsquote im betrachteten Zeitraum ausschließlich in den neuen Bundesländern gestiegen. Besonders deutlich zeigt sich dies in Sachsen, das mit einem Plus von 1,1 Prozentpunkten den stärksten Zuwachs verzeichnet. Mit 34,3 Prozent bleibt die Eigentümerquote allerdings trotz des Zuwachses deutlich unterhalb der deutschen Gesamtquote. Selbst Berlin, bekannt für seine ausgeprägte Mietkultur, weist mit einem Plus von 0,7 Prozentpunkten einen leichten Anstieg bei der Eigentumsquote auf.

Im Gegensatz dazu zeigt sich in den alten Bundesländern ein flächendeckender Rückgang der Wohneigentumsquote. Am stärksten betroffen ist das Saarland mit einem Minus von 3,6 Prozentpunkten. Auch Bremen und Niedersachsen verzeichneten jeweils einen starken Rückgang von etwas über 3 Prozentpunkten.

Entwicklung der Wohneigentumsquote zwischen 2011 und 2022 (in Prozentpunkten)

Der Chart zeigt die Entwicklung der Wohneigentumsquote in den Bundesländern.
Quelle: Statistisches Bundesamt

Auch wenn die Entwicklung in den neuen Bundesländern in eine positive Richtung geht, bleibt das West-Ost-Gefälle bei der Wohneigentumsquote bestehen. So bleibt zum Beispiel Sachsen, trotz des stärksten Zuwachses, das Flächenland mit der niedrigsten Eigentumsquote. In keinem anderen Flächenland leben anteilig weniger Menschen im selbstgenutzten Wohneigentum. Ähnliches gilt für Berlin: Zwar wurde auch hier ein leichter Anstieg verzeichnet, doch reicht dieser nicht aus, um den letzten Platz im bundesweiten Vergleich abzugeben.

Trotz der positiven Impulse aus dem Osten bleibt deren Einfluss auf die bundesweite Eigentumsquote begrenzt. Die neuen Bundesländer sind sowohl flächen- als auch bevölkerungsmäßig kleiner, sodass der dort verortete Anstieg nicht ausreicht, um eine gesamtdeutsche Trendwende einzuleiten.

Die nach wie vor niedrigere Wohneigentumsquote im Osten Deutschlands lässt sich auf eine Kombination aus historischen, strukturellen und wirtschaftlichen Faktoren zurückführen. Unter anderem wurde in der DDR Wohneigentum kaum gefördert, sodass der Wohnungsbestand sich nach der Wiedervereinigung überwiegend aus Mietwohnungen zusammensetzte. Zudem befindet sich der Großteil selbstgenutzter Eigenheime in Gebäuden mit höchstens zwei Wohneinheiten. Dazu zählen insbesondere Einfamilienhäuser, Reihenhäuser und Doppelhaushälften. Im Vergleich zu Westdeutschland ist der Anteil solcher Gebäude im Osten geringer. Dennoch lässt sich in den vergangenen Jahren ein gegenläufiger Trend beobachten: In nahezu allen ostdeutschen Bundesländern hat der Anteil von Ein- und Zweifamilienhäusern am Gesamtwohnungsbestand leicht zugenommen. In den westdeutschen Ländern hingegen ist dieser Anteil zurückgegangen, weil vermehrt Etagenwohnungen gebaut wurden. Hinzu kommen wirtschaftliche Rahmenbedingungen wie geringere Einkommen und weniger angespartes Eigenkapital, die den Zugang zu Wohneigentum im Osten erschweren.

Insgesamt zeigt sich zwar ein Aufholprozess im Osten, doch die zuvor genannten Faktoren, die angespannte Lage im Bausektor und die weiterhin herausfordernde Situation auf dem sich nur langsam erholenden Immobilienmarkt dürften dafür sorgen, dass bei der Wohneigentumsquote keine rasche Trendwende zu erwarten ist.

Autor: Moritz Manthey