Ein Lichtblick – oder doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein?

Chart of the Week

Unsere westlichen Nachbarn bleiben in den ökonomischen Schlagzeilen – dieses Mal jedoch mit einer erfreulichen Nachricht. Nachdem sich die Meldungen aus Frankreich in den letzten Wochen zumeist um die Regierungskrise drehten, die in Ernennung, Rücktritt und erneuter Ernennung von Premierminister Sébastien Lecornu gipfelte und an den Finanzmärkten zu Renditeaufschlägen für französische Staatsanleihen führte, vermeldete die Statistikbehörde INSEE gestern ein unverhofft hohes Wirtschaftswachstum im 3. Quartal.

Die Erwartungen hatten bei einem Wachstum von 0,1 Prozent gelegen, doch die französische Wirtschaft trotzte der politischen Unsicherheit und konnte ihr Bruttoinlandsprodukt um ganze 0,5 Prozent steigern. Maßgeblich waren eine solide Inlandsnachfrage und gestiegene Exporte vor allem im Bereich Luftfahrt – wobei noch unklar ist, ob es sich hier um den Beginn eines Booms aufgrund europaweit steigender Rüstungsausgaben handelt oder vielleicht nur um einen Einmaleffekt.

Nachrichten wie diese kann Frankreich gut gebrauchen. Nach seiner erneuten Ernennung ist Lecornu mittlerweile seit drei Wochen im Amt. Zwar ist es ihm gelungen, eine Regierung zu bilden, die seit ihrem Zusammentritt zwei Misstrauensanträge überstehen konnte. Der politische Preis dafür war aber die Zurückstellung der geplanten Rentenreform – eines der Projekte, die Frankreich helfen sollten, die Staatsfinanzen wieder besser in den Griff zu bekommen.

Leistungskürzungen und Steuererhöhungen sind nirgendwo populär – doch in Frankreich tut man sich traditionell noch ein bisschen schwerer als anderswo, politische Mehrheiten für derartige Maßnahmen zu finden. Und so hat die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone schon lange mit einer Staatsschuldenquote zu kämpfen, die deutlich höher liegt, als es die 60-Prozent-Grenze des Maastricht-Vertrags eigentlich vorsieht.

Entwicklung der Staatsschuldenquote seit 2019

(in Prozent des BIP)

Der Chart zeigt für die Jahre 2019 bis 2024 die Staatsschuldenquoten für Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und die Niederlande.
Quelle: Eurostat

Unser Chart der Woche zeigt die Entwicklung der Brutto-Staatsverschuldung als Prozentsatz des BIP für die fünf größten Volkswirtschaften der Eurozone in den letzten Jahren. Deutlich zu sehen ist überall der Anstieg aufgrund der Belastungen durch die Corona-Pandemie. Deutlich zu sehen ist aber auch, dass die angestiegene Staatsverschuldung anschließend wieder zurückgeführt wurde – in Frankreich allerdings vergleichsweise langsam. Und offenbar auch nicht besonders nachhaltig: Zum Jahresende 2024 lag die Staatsschuldenquote nach einem erneuten Anstieg sogar höher als noch drei Jahre zuvor. Reichlich Arbeit liegt also vor der neuen französischen Regierung. Ein solides Wirtschaftswachstum hilft dabei natürlich, ist alleine aber nicht ausreichend.

Aus seinen Staatsschulden „herauszuwachsen“ – also die Schuldenquote auch ohne Rückzahlungen dadurch zu senken, dass das Bruttoinlandsprodukt schneller wächst als die Schulden – ist einem Land zwar grundsätzlich möglich. Das funktioniert aber nur, wenn die Wachstumsrate des BIP höher liegt als der Zinssatz, den das Land für die aufgenommenen Kredite zu zahlen hat. Die Rendite französischer Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit schwankte in den letzten Wochen zwischen 3,3 und 3,6 Prozent – bei aller Freude über die besser als erwartet ausgefallenen Zahlen im 3. Quartal ist die französische Wirtschaft von einer derartigen Wachstumsgeschwindigkeit dann doch noch ein gutes Stück entfernt.

Autor: Sebastian Franke