Deutschlands wachsendes Handelsdefizit mit China

Chart of the Week

Als Reaktion auf hohe US-Zölle verlagern chinesische Unternehmen ihre Exporte zunehmend nach Europa. Mittlerweile fluten sie auch den deutschen Markt längst nicht mehr nur mit „Billigprodukten“. Seit kurzem hat China die USA wieder als Deutschlands wichtigsten Handelspartner abgelöst. Ausschlaggebend dafür ist das deutlich gestiegene Importvolumen chinesischer Waren, welches das sinkende Exportvolumen mehr als aufwiegt.

Die Entwicklung ist allerdings kein kurzfristiges Phänomen. Wesentliche Änderungen zeigen sich bereits seit Beginn der 2020er Jahre in der deutschen Handelsbilanz. Schon 2018, als China die Initiative „Strategie 2025” ausrief, hätten Entscheidungsträger hellhörig werden können. Durch hohe Investitionen im verarbeitenden Gewerbe konnte dort eine Überkapazität geschaffen werden. Nun zeigen sich die Auswirkungen der dadurch entstandenen Stärkung der chinesischen Wettbewerbsfähigkeit an den internationalen Märkten. Die Importe aus China steigen, während das Exportvolumen nachlässt. Das zeigt unser Chart der Woche.

Deutschlands monatliches Handelsvolumen mit China

Angaben in Prozent des Gesamthandels, gleitender 3-Monats-Durchschnitt

Der Chart zeigt die Entwicklung des monatlichen Handelsvolumens Deutschlands mit China in Prozent des Gesamthandels
Quelle: Eurostat

Besonders stark stiegen die Importe in eigentlich „typisch deutschen“ Schlüsselbranchen wie der Automobil-, Pharma- und Chemieindustrie. Dies verdeutlicht, dass nicht mehr nur „Billigprodukte“ importiert werden.

Außerdem dominiert China insbesondere im Bereich der seltenen Erden die Exportströme und ist insgesamt für fast 70 Prozent der globalen Produktion verantwortlich. Deutschland als größter Einzelabnehmer ist stark von einer zuverlässigen Lieferung abhängig, um keine Lieferkettenengpässe zu erleiden.

Deutsche Unternehmen investieren weiterhin in China

Die chinesischen Konsumenten wenden sich immer mehr von deutschen Produkten ab. Insbesondere die deutschen Premium-Autobauer verlieren durch den vermehrten Umstieg auf Elektroautos Marktanteile in der Volksrepublik. Dennoch investieren deutsche Unternehmen weiterhin Rekordsummen in neue Projekte in China. Laut dem Mercator Institute for China Studies (Merics) stiegen die deutschen Unternehmensinvestitionen in China zwischen 2023 und 2024 um 1,3 Milliarden Euro auf insgesamt 5,7 Milliarden Euro. Die scheinbare Aussicht auf kurzfristige Gewinne scheint die Wahrnehmung langfristiger Risiken durch höhere Abhängigkeiten derzeit noch zu überwiegen. Dabei wurde die Entwicklung Chinas eventuell auch unterschätzt.

Deutsche Entscheidungsträger sehen derweil zunehmend Handlungsbedarf. Es ist ein spätes Aufwachen, denn lange hat man in Deutschland eine europäische China-Strategie eher verhindert. Vielleicht ist jetzt endlich die Zeit gekommen, den für viele eher technokratischen Begriff „strategische Autonomie“ mit Leben (und auch Geld) zu füllen.

Autor: Julian Geib