Chart of the Week | 24.05.2019

Wie reagieren die Finanzmärkte auf die Europawahl?

4 min Lesedauer 24.05.2019

Von Donnerstag bis Sonntag sind 427 Millionen Bürger der Europäischen Union aufgerufen, die neuen Abgeordneten für das Europaparlament zu wählen. Den Auftakt haben am Donnerstag Großbritannien und die Niederlande gemacht, in Deutschland steht der Urnengang am Sonntag an. Die Wahlbeteiligung ist erfahrungsgemäß extrem niedrig, bei der letzten Wahl im Jahr 2014 nahmen gerade einmal 43% aller wahlberechtigten Europäer teil. Doch dieses Mal könnte sich das ändern, denn im Vorfeld dieser Wahl ging es politisch heiß her.

 

Nicht nur haben die Briten immer wieder für Schlagzeilen gesorgt, auch die Entwicklungen in Italien, Frankreich, Deutschland und nicht zuletzt die „Ibiza-Affäre“ in Österreich haben die politische Landschaft ordentlich aufgewirbelt. Letztlich stehen wir wieder vor einer „Schicksalswahl“, könnte diese doch in einer zunehmenden Fragmentierung Europas enden und weitere Zuwächse bei populistischen Parteien eine weitere europäische Integration verhindern. Aber welche Auswirkungen hätte dies auf die Devisen- und Finanzmärkte?

 

Dieser Frage haben sich unsere Kollegen in ihrer englischsprachigen Publikation "European elections: Four key battlegrounds for markets" gewidmet. Lebt der europäische Traum weiter (Szenario 1), bleiben wir beim altbewährten Durchwurschteln (Szenario 2) oder gibt es am Ende gar eine populistische Revolte (Szenario 3)? Auf jedes dieser Szenarien würden Märkte ganz unterschiedlich reagieren, wie unser Chart der Woche zeigt. 

Die Europawahl an den Märkten

Beim Durchwurschteln würde sich nicht wirklich etwas ändern. Zwar dürften europaskeptische Parteien an diesem Wochenende Wahlgewinne erzielen, doch in Bezug auf ihre politischen Ziele wird eine gemeinsame Linie schwierig zu finden sein. Das Europäische Parlament wäre zwar stärker fragmentiert, aber nicht unbedingt wesentlich euroskeptischer. Bewegungen an den Märkten würden entsprechend moderat ausfallen.

 

Anders sieht es dagegen aus, wenn der gesamte europaskeptische Anteil der Stimmen deutlich über 25% liegt und Italiens Lega einen deutlichen Stimmenzuwachs über 30% verzeichnen kann. Abgeordnete dieser Fraktion könnten dann Budgetentscheidungen oder Nominierungen blockieren und auf Kollisionskurs mit der EU gehen – mit Blick auf die Wahl des EU-Kommissionspräsidenten im Juni ein nicht zu vernachlässigender Faktor. Und auch wenn es vielleicht so manchem komisch anmutet, spielen die Regionalwahlen in Bremen hier ebenfalls eine Rolle. Sollte der Anteil der SPD in Bremen unter 15% fallen, dann steigt die Gefahr eines Auseinanderbrechens der Koalition. An den Märkten würde dieses Szenario die Flucht in den sicheren Hafen auslösen, die Nachfrage nach deutschen Staatsanleihen steigt, während die Nachfrage nach italienischen Staatsanleihen sinkt.

 

Beim europäischen Traum gäbe es dagegen reichlich Entspannungspotential an Devisen- und Finanzmärkten, die Differenz zwischen italienischen und deutschen Anleihen würde schrumpfen, während dem Euro wieder mehr Vertrauen entgegengebracht würde. Der Anteil euroskeptischer Parteien fiele, die italienischen Parteien Lega und 5-Sterne verbleiben bei 20%, während in Deutschland die große Koalition und in Frankreich Macrons En Marche!-Partei als Sieger hervorgehen. Das würde den europäischen Traum am Leben erhalten. Wie so oft bahnt sich jedoch wieder ein Durchwurschteln an. Das funktioniert, doch weiter bringt das Europa nicht. Ein ums andere Mal stehen wir dann auch in fünf Jahren wieder vor einer Schicksalswahl – genauso wie sie schon 2014 und 2019 betitelt wurde.

 

Hier geht es zur gesamten Studie „European elections: Four key battlegrounds for markets“.

 

Um die Europawahl geht es auch in unserer aktuellen Podcast-Folge "Herzenssache Europa". Jetzt reinhören!

Autor: Inga Fechner