Von Hamstern und Finanzkrisen

Chart of the Week | 06.03.2020

3 min Lesedauer 06.03.2020

Nach wie vor wirbelt das Coronavirus die Finanzwelt durcheinander und sorgt in zahlreichen Supermärkten für panische Hamsterkäufe. Italien, in dem bis dato die meisten Fälle in Europa registriert wurden, schließt bis Mitte März alle Schulen und Universitäten, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern. Die in dieser Lage aufkommenden Rufe nach der Hilfe von Zentralbanken und Regierungen wurden zumindest seitens der US-amerikanischen Zentralbank erhöht, die am Dienstag in einer Notfallsitzung den Leitzins um 50 Basispunkte auf eine Spanne von 1 % bis 1,25 % senkte.  Doch auch wenn der Schritt prinzipiell erwartet wurde, so reagierten Finanzmärkte nur kurzzeitig positiv auf die Zinssenkung, letztlich fielen US-Aktien am Dienstag um 3 %.

 

Enttäuschung über das Fehlen einer koordinierten Maßnahme seitens der großen Zentralbanken als auch die Angst von Investoren, dass die Lage aufgrund des außerplanmäßigen und großen Schritts der Fed gravierender als angenommen sein könnte, haben die Marktreaktion beeinflusst.

 

Das letzte Mal, als die Fed eine außerplanmäßige Zinssenkung durchführte, war im Oktober 2008, kurz nachdem die Investmentbank Lehman Brothers zusammengebrochen war. Damals übrigens als konzertierte Aktion seitens der US-Notenbank, der EZB, sowie der Zentralbanken in England, China, Kanada, Schweden und in der Schweiz. Doch diese außerplanmäßige Zinssenkung der Fed sollte nicht die einzige sein, wie unser Chart der Woche zeigt. Im Dezember 2008 wurden die Zinsen noch einmal um 75 Basispunkte gesenkt. Auch nach dem Zinsschritt diese Woche gehen wir davon aus, dass noch zwei weitere Zinsschritte zu jeweils 25 Basispunkten folgen werden, voraussichtlich einer im April und einer im Juni.

Blaupause für Covid-19?

Und das, obwohl die US-Wirtschaft eigentlich solide dasteht. Doch die Verwerfungen am Aktienmarkt und die Risiken, die vom Virus für die Wirtschaftstätigkeit ausgehen, haben die Zentralbank veranlasst, zu handeln. Die Wirtschaftstätigkeit dürfte beeinträchtigt werden und die Inflation aufgrund von niedriger Ölpreise und einer schwächeren Nachfrage sinken, auch wenn von der Angebotsseite ein stärkerer Preisdruck kommen könnte.

 

Ob derweil an den Aktienmärkten das schlimmste vorbei ist? Nach dem Zusammenbruch von Lehman ging es erst richtig los, war die Pleite doch nur eine Variable aus vielen, die der Finanzkrise zugrunde lag. Zumindest dürfte das Aktienumfeld auch dieses Mal noch volatil bleiben, da sich die Auswirkungen von unterbrochenen Lieferketten und geändertem Verhalten von Unternehmen und Verbrauchern erst nach und nach zeigen werden.

 

Abgesehen von einer Beruhigung der Finanzmärkte können Zentralbanken derzeit daher eigentlich auch nur wenig tun. Gerade mit Blick auf Europa und Deutschland dürften fiskalpolitische Maßnahmen wie staatliche Garantien, Überbrückungskredite oder vorübergehende Steuererleichterungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt mehr helfen als Zinssenkungen und Hamsterkäufe. 

 

Um die Auswirkungen von Covid-19 geht es auch in unserer aktuellen Podcast-Folge mit Ulf Schmücker und Inga Fechner: Turbulente Finanzmärkte

 

Die englischsprachigen Publikationen unserer Kollegen zu Covid-19, die Auswirkungen auf die Wirtschaft, Finanzmärkte und die Zentralbankpolitik finden sie hier: ING Think

Autor: Inga Fechner