Der Ölpreisverfall – Ein Tag für die Geschichtsbücher

Chart of the Week

3 min Lesedauer 24.04.2020

Der Tag der Erde, mit dem seit 1970 auf den Zustand der Umwelt aufmerksam gemacht werden soll und seinen Ursprung in der Ölpest von Santa Barbara im Jahr 1969 nahm, wurde in dieser Woche zum 50. Mal gefeiert. Und genau in dieser Jubiläumswoche ist Rohöl zum ersten Mal in der Geschichte mit negativen Preisen gehandelt worden. Ebenfalls vor fast 50 Jahren warnte der Club of Rome, eine internationale Vereinigung von Experten, vor der Endlichkeit von Rohstoffen und prognostizierte, dass die Ölreserven in 20 Jahren erschöpft seien. Doch derzeit sprudeln die Ölquellen so stark wie selten und der Preis für ein Fass Öl war tatsächlich negativ. Was ist also am Ölmarkt los?

 

Schon vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie konnten sich die OPEC-Staaten und weitere Ölförderländer nicht auf eine Beschränkung der Fördermenge einigen, was die Preise für die Benchmark-Sorten West Texas Intermediate (WTI) und Brent belastete. Durch die reduzierte Nachfrage in Folge der weltweiten Lockdowns hat sich die Lage am Ölmarkt jedoch noch einmal deutlich verschärft. Aufgrund der Ausgangsbeschränkungen, des zum erliegen gekommenen Tourismus- und Reiseverkehrs, als auch der hohen Arbeitslosen- und Kurzarbeitszahlen ist de facto keine Nachfrage nach Mobilität vorhanden. Infolge dessen sind die Lager voll, das Speichervolumen zur Lagerung von Rohöl und raffinierten Brennstoffen ist fast erschöpft.

 

Das hat diese Woche zu dem Paradox geführt, dass Terminkontrakte für die Ölsorte WTI, also Wertpapiergeschäfte, die erst zu einem späteren Zeitpunkt erfüllt, aber zu einem am Abschlusstag festgesetzten Kurs erfolgen, aus November 2014 mit Lieferdatum Mai 2020 negativ gehandelt wurden. Da bei WTI-Terminkontrakten das Öl physisch in Empfang genommen werden muss, standen die Inhaber der Kontrakte, die diese oftmals zur Spekulation nutzen und nicht vorhaben, das Rohöl in Empfang zu nehmen, vor dem Dilemma Abnehmer für ihr Öl zu finden. Daher waren sie auch bereit, für die Abnahme zu zahlen, was im negativen Preis resultierte und den stärksten Preisverfall innerhalb eines Tages auslöste, wie unser Chart der Woche zeigt. 

Die größten Preisverfalle bei WTI innerhalb eines Tages (%-Tagesveränderung gegenüber dem Schlusskurs)

Quelle: Refinitiv Datastream, angelehnt an FT/Peter Wells

Wird das Öl dagegen zum Spotpreis, also zum sofortigen Kaufabschluss, gekauft, müssen derzeit noch um die 20 US-Dollar auf den Tisch gelegt werden. Umsonst gibt es Rohöl also nach wie vor nicht, doch verglichen mit den Preisentwicklungen der letzten Jahre gibt es das schwarze Gold aufgrund der Pandemie derzeit so günstig wie lange nicht mehr und sorgt für einen neuen Eintrag in die Geschichtsbücher.

 

Um den Preisverfall am Ölmarkt geht es auch in unserer Podcast-Folge 57 von Carsten's Corner

Autor: Inga Fechner