Erst das „Wie“ und dann das „Was“
TV-Duell zur US-Wahl
Das erste Fernsehduell zwischen Amtsinhaber Donald Trump und seinem Herausforderer Joe Biden hat zu den erwarteten komplett unterschiedlichen Reaktionen geführt. Wie nach fast jedem TV-Duell um den Einzug ins Weiße Haus gehen die Meinungen um den möglichen Sieger weit auseinander. So auch jetzt wieder. Eine Studie der Harvard University hat übrigens gezeigt, dass die TV-Duelle eigentlich fast nie zu einer Veränderung der öffentlichen Meinung in den USA führen. Es geht einzig und allein um das Mobilisieren der eigenen Wähler.
Wer Anfang November dann die Nase vorne haben wird, ist jetzt nicht deutlich. Das sehr spezielle Wahlsystem in den USA macht normale Umfrageergebnisse sowieso wenig aussagekräftig. Genauso wie Umfragen unter Europäern. Trotz aller historischen transatlantischen Beziehungen ticken die Amerikaner politisch doch anders als viele Europäer.
Während es in den kommenden vier Wochen in den USA vielmehr um das „Wie“ geht, wird danach das „Was“ interessant und relevant. Bei einer zweiten Amtszeit von Donald Trump weiß man, worauf man sich in Europa vorbereiten muss. Ein klares „weiter so“ des Kurses der vergangenen vier Jahre. Darauf zu hoffen, dass ein möglicher Präsident Joe Biden allerdings einen ganz anderen Kurs fahren wird, entstammt wohl eher der europäischen Naivität als einem gesunden Realitätssinn.
Die Demokraten sind traditionell die Partei, die dem Protektionismus näher steht, als die Republikaner. Auch ein Präsident Biden wird den Kampf gegen China um die weltweite Vormachtstellung fortsetzen. Der Kampf um High Tech, gegen Industriespionage und für Wettbewerb zu gleichen Spielregeln. Der Ton könnte sich mildern und Biden könnte probieren, Europa als Verbündete zu gewinnen im Streit gegen China. Biden sollte auch im Kampf gegen den Klimawandel und dem Aufbau einer neuen, nachhaltigen und digitalen Infrastruktur den europäischen Ideen und Vorstellungen näherkommen als Donald Trump. Er wird aber ganz bestimmt kein Präsident sein, der dem Motto „America Second“ folgt.
Auch wenn die vergangenen vier Jahre nicht immer einfach waren, die transatlantischen Beziehungen sind historisch gewachsen und schon immer durch Täler und über Berge gegangen. Die jüngere Zeit sollte aber ein Weckruf für Europa gewesen sein. Ein Weckruf, die eigene wirtschaftliche Autonomie zu stärken – egal, ob es dabei um die Energieversorgung oder weniger Exporte und mehr inländische Nachfrage geht. Dann kann Europa sich entspannt vom „Wie“ unterhalten lassen, das „Was“ in Ruhe abwarten und kurz genießen, dass es bei uns eine Regierungschefin gibt, die auf einer Pressekonferenz mal eben eine Exponentialfunktion erklären kann.