Krach in Berlin

Diskussion um die Schuldenbremse

3 min Lesedauer 08.02.2021
Pärchen mittleren Alters liest Zeitung im Bett mit Hund

Bei diesem Titel denkt jeder wahrscheinlich an Impfgipfel oder Lockdown Gipfel und damit verbundene Unstimmigkeiten, teilweise auch Chaos. Dabei gab es Ende Januar einen anderen Krach in Berlin, der noch fast so lang nachhallen könnte wie die Krachwellen einiger Gipfeltreffen. Der Krach um die Schuldenbremse.

Die Schuldenbremse ist eine Errungenschaft der Finanzkrise. Deutschland wollte mit gutem Beispiel vorangehen und dafür sorgen, dass der Grundsatz nachhaltiger und stabiler Staatsfinanzen im Grundgesetz verankert ist. In den Jahren danach war die Schuldenbremse vieles: Vorbild, aber auch Fluch, für andere Euroländer; Erfolgsgarant für fallende Staatsschulden in Deutschland, die wiederum die tiefen Taschen von Olaf Scholz in der aktuellen Pandemie vorbereitet haben; Markenkern der CDU, aber auch Zielscheibe vieler Kritiker, die den langen Investitionsstau in Deutschland bemängeln. Eine deutsche Hassliebe…

Der Vorschlag von Kanzleramtschef Helge Braun, die Schuldenbremse nach 2020 und 2021 noch länger aussetzen zu lassen, brachte das zu erwartende aufgeregte Echo. Ein schmerzerfüllter Aufschrei bei vielen Parteifreunden, genauso wie ein Jubelschrei bei einigen Oppositionsparteien und vielen Experten. Denn anders als noch vor mehr als einem Jahrzehnt gibt es eigentlich keine triftigen Gründe zur Schuldenbremse zurückzukehren. Nach der Finanzkrise war es wichtig, die Staatsfinanzen vor eventuell zu ausgabewütigen Politikern zu schützen. Der Vorteil der Regelbindung steht in jedem Lehrbuch über politische Ökonomie. Hinzu kam, dass die Staatsfinanzen vorbereitet werden mussten auf die Folgen des demographischen Wandels und damit verbundene Kosten in der Zukunft. Die schwarze Null, die in Deutschland im letzten Jahrzehnt regelmäßig zu Buche stand, war übrigens mehr das Resultat starken Wirtschaftswachstums und niedriger Zinsen als wirklicher Sparpolitik.

Spätestens seit dem Ausbruch der Corona-Krise ist der Staat gefragt. Konjunkturprogramme müssen nicht nur kurzfristig die Wirtschaft stützen, sondern auch das langfristige Wachstum erhöhen. Und der Bedarf bleibt hoch. Digitalisierung, Kampf gegen den Klimawandel oder struktureller Umbruch einiger Industrien. Das sind alles Themen, die weiterer (auch staatlicher) Investitionen bedürfen. Hinzu kommt, dass wir wahrscheinlich schon in der Zukunft des demographischen Wandels angekommen sind. Die Baby Boomer Generation hat und wird jetzt sehr schnell in den wohlverdienten Ruhestand gehen. Der Druck auf Renten- und Sozialkassen nimmt zu. Eine Reform ist wie eine Operation am offenen Herzen und wird daher nicht kommen. Der Staat wird wohl eher Teile der anfallenden Kosten auffangen müssen. Der hohe Investitionsbedarf und die Kosten des demographischen Wandels machen eine schnelle Rückkehr zur schwarzen Null kontraproduktiv. Dabei sollten wir auch nicht vergessen, dass eine Konsolidierung der Staatsfinanzen anders als in den letzten Jahren wohl nicht über mehr Wachstum, sondern über höhere Steuern kommen müsste. Noch kontraproduktiver.

In Berlin hat sich der Krach über die Schuldenbremse erst einmal wieder beruhigt. Virus und Impfstoff bleiben die bestimmenden Themen. Die Schockwellen der Diskussion um die Schuldenbremse werden aber wiederkommen. Bleibt zu hoffen, dass es eine inhaltliche Diskussion und keine prinzipielle Diskussion wird.