Rückkehr eines Monsters

Diskussion um den Anstieg der Inflationsrate

3 min Lesedauer 08.03.2021
Pärchen mittleren Alters liest Zeitung im Bett mit Hund

Viele deutsche Experten wussten es schon lange: die Inflation ist nicht tot, sie schläft nur. Und jetzt scheint der Deutschen liebstes Wirtschaftsgespenst wieder zurück zu sein: die Inflation. Für wirkliche Ängste gibt es allerdings keinen Grund.

Gestiegene Inflationsraten in den USA und Europa haben nicht nur die Kapitalmarktzinsen steigen lassen, sie haben auch die Angst vor einem nachhaltigen Anstieg der Inflation geschürt. Kurzfristig ist diese Angst berechtigt. Denn es ist davon auszugehen, dass die Inflationsraten in den kommenden Monaten weiter steigen werden. Allerdings getrieben von sogenannten Sondereffekten: Erst sind es die höheren Energiepreise im Jahresvergleich, danach werden es höhere Preise vor allem bei Dienstleistungen nach dem Ende der Lockdowns sein und zu guter Letzt wird Deutschland in der zweiten Jahreshälfte die Wiedererhöhung der Mehrwertsteuer spüren. In Deutschland könnte dadurch die Inflationsrate durchaus über 3 % steigen. Nur ist dieser Anstieg nicht nachhaltig.

Konkurrenz im Dienstleistungssektor führt dafür, dass mögliche Corona-Aufschläge von der Konkurrenz einkassiert werden. Die Basiseffekte von Mehrwertsteuer und Energiepreisen auf die Inflationsrate verschwinden im nächsten Jahr wieder.

Für eine richtig gefährliche Inflation braucht es eine wirkliche Überhitzung der Konjunktur gemäß dem alten Motto „zu viel Geld jagt zu wenig Güter“. In den USA gibt es auf den ersten Blick diese Gefahr durch das enorme Konjunkturpaket von Joe Biden. Auf den zweiten Blick werden aber auch in den USA Produktionskapazitäten in der Krise verschwunden sein und ist der Beschäftigungsgrad im Arbeitsmarkt niedrig. Eine steigende Nachfrage kann also auch durchaus von einem steigenden Beschäftigungsgrad oder mehr Investitionen geschluckt werden. In Deutschland und Europa ist die Gefahr einer Überhitzung noch viel geringer. Angesichts von Impfchaos und Lockdowns denken sich viele wahrscheinlich „gäbe es diese Gefahr mal“. Die Realität ist allerdings, dass steigende Arbeitslosigkeit und Insolvenzen wenig Spielraum geben für mehr Inflation. Nur wenn Regierungen Mindestlöhne erhöhen bzw. den Raum für weitreichende Lohnerhöhungen bieten, könnte es zu einer Lohn-Preis-Spirale aus dem Lehrbuch kommen. Und Digitalisierung und Automatisierung sollten einer immer älter werdenden Gesellschaft den Druck auf Preise und Löhne gering halten.

Die Inflation ist also zurück, reduziert unsere Kaufkraft, wird aber nicht lange bleiben. Für die EZB ist das ziemlich unangenehm. Da versucht sie so lange, die Inflation endlich wieder zurückzubringen, und es ist wieder nicht gut. Denn eine Inflation, getrieben von höheren Energiepreisen und einmaligen Sondereffekten, ist eher deflationär und nicht, was die EZB will. Es ist auch keine Inflation, die man mit Geldpolitik drosseln kann. Daher steht auch keine Zinserhöhung an, sondern ganz im Gegenteil eventuell noch einmal geldpolitische Lockerung. Die Gefahr, dass steigende Kapitalmarktzinsen oder sogar eine frühzeitige Normalisierung der Geldpolitik den leichten Aufschwung abwürgen, ist einfach zu groß. Wenn Lockdowns, Corona und Impfstoff nicht mehr den Alltag bestimmen und die Wirtschaft der Eurozone zum Ende des Jahres wieder brummt, sieht die Sache anders aus. Dann könnte man im EuroTower auch so langsam an den Einstieg in den Ausstieg denken.

Finanzmärkte denken gerne binär, schwarz-weiß. Ein Ende von extrem niedriger Inflation bedeutet aber halt nicht, dass jetzt ein Zeitalter von Inflationsspiralen beginnt. Wie im wahren Leben gibt es auch bei der Inflation viele Schattierungen und Grautöne; und auch keine wirklichen Monster.