Ein Burger erklärt die Weltwirtschaft

Die Erhebung hat einen ernsthaften Kern

Landkarte

Die Geschichte nahm vermutlich diesen Anfang: Pamela Woodall liebt Burger. Und eines Tages kam der Volkswirtin in einem Schnellrestaurant eine so naheliegende wie geniale Idee: Weil McDonald’s seinen Big Mac, den beliebten Burger mit den zwei Fleischpaletten, auf der ganzen Welt gleich zubereitet – in standardisierter Größe, Zusammensetzung und Qualität – müsste dieser doch auch überall gleich viel kosten. Für den Preisvergleich wird der Preis für einen Big Mac in der jeweiligen Landeswährung zum aktuellen US-Dollar-Kurs umgerechnet. Insofern sollte dieses homogene Produkt doch idealerweise dazu geeignet sein, die wahre Kaufkraft von Währungen zu vergleichen?

Da mag etwas Fast-Food-Nostalgie, oder auch Humor mitschwingen, jedenfalls etablierte das britische Wirtschaftsblatt The Economist, wo Pamela Woodall als Korrespondentin arbeitete, im Jahr 1986 den Big-Mac-Index als ein Maß, das die Über- oder Unterbewertungen im weltweiten Währungssystem bestimmt. Der Index basiert auf der Theorie der Kaufkraftparität (Purchasing Power Parity): Sind Binnenwert und Außenwert einer Währung identisch, müsste bei einem Euro-Dollar-Umrechnungskurs von 1:1 ein Big Mac in Berlin genauso viel Euro kosten wie in New York gleichen Namens und Qualität in US-Dollar umgerechnet. Jedenfalls der Theorie nach. Doch in den meisten Ländern besteht ein deutlicher Unterschied zwischen Währungs- und Burger-Wechselkurs.  Abweichungen deuten darauf hin, dass Wechselkurse verzerrt oder Währungen über- beziehungsweise unterbewertet sind.

Wie funktioniert der Big-Mac-Index?

  1. Zunächst werden die Preise eines Big Mac in den lokalen Währungen verschiedener Länder erfasst.
  2. Diese Preise werden dann zum aktuellen Wechselkurs in US-Dollar umgerechnet.
  3. Durch den Vergleich mit dem US-Preis lässt sich ermitteln, ob eine Währung über- oder unterbewertet ist.
  4. Der Big-Mac-Index wird halbjährlich im Januar und Juli jeden Jahres aktualisiert.

Wenn beispielsweise ein Big Mac in Deutschland 5,00 Euro kostet und in den USA 5,69 US-Dollar, dann ergibt sich ein theoretischer Wechselkurs von 0,88 Euro pro Dollar (5,00 € ÷ 5,69 $). Wenn der tatsächliche Wechselkurs nun höher liegt, bedeutet das, dass man mehr Euro ausgeben muss, um einen Dollar zu kaufen, als das Big-Mac-Preisverhältnis nahelegt. In diesem Fall wäre der Euro unterbewertet. Und spiegelbildlich – ist der tatsächliche Wechselkurs niedriger, wäre der Euro überbewertet.

Internationaler Vergleich: Wo ist der Big Mac am teuersten?

Laut aktuellen Daten von Statista variieren die Big-Mac-Preise weltweit erheblich. Die Schweiz führt regelmäßig die Liste der teuersten Big Macs an. Anfang dieses Jahres kostete ein Big Mac dort umgerechnet etwa 7,99 US-Dollar – fast doppelt so viel wie in manchen osteuropäischen oder südostasiatischen Ländern. An zweiter Stelle folgt Argentinien mit 6,95 US-Dollar für den Burger. Am anderen Ende der Skala finden sich Länder wie Taiwan, Indien und Indonesien, wo ein Big Mac deutlich weniger kostet als in den USA – ein Hinweis darauf, dass diese Währungen im Vergleich zum US-Dollar unterbewertet sind oder die Lebenshaltungskosten niedriger sind.

Übrigens: In Russland gibt es seit dem Rückzug von McDonald’s in dem Land als Folge des völkerrechtswidrigen Ukraine-Überfalls kein Big-Mac-Angebot mehr. Somit wird Russland wohl auf unbestimmte Zeit auch nicht mehr im Big-Mac-Index vertreten sein.

Entwicklung im Zeitverlauf

Über die Jahre hat sich der Big-Mac-Index als erstaunlich zuverlässiger Indikator für langfristige Währungsentwicklungen erwiesen. Währungen, die laut Index stark unterbewertet waren, tendierten langfristig dazu, aufzuwerten – und umgekehrt. China beispielsweise war jahrelang als stark unterbewertet eingestuft, hat sich aber zunehmend dem US-Niveau angenähert – ein Spiegelbild der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes.

Kritik am Big-Mac-Index

Trotz seiner Popularität weist der Index Schwächen auf:

  1. Lokale Faktoren: Der Index berücksichtigt nicht die unterschiedlichen Lohnkosten, Mietpreise und Steuersätze in den jeweiligen Ländern.
  2. Kulturelle Unterschiede: In manchen Ländern gilt Fast Food als günstiges Essen, in anderen als relative Luxusware, was die Preisgestaltung beeinflusst.
  3. Produktunterschiede: Nicht überall ist der Big Mac identisch. In Indien beispielsweise wird er mit Hühnerfleisch statt Rindfleisch hergestellt.
  4. Beschränkte Aussagekraft: Der Index erfasst nur ein einzelnes Produkt und nicht einen breiteren Warenkorb, wie es bei umfassenderen Kaufkraftvergleichen üblich ist.

Was bringt der Big-Mac-Index?

Für Reisende kann der Big-Mac-Index ein nützlicher Anhaltspunkt sein, um die Kaufkraft in verschiedenen Ländern einzuschätzen. Auch für Anlegerinnen und Anleger kann der Index interessant sein. Länder mit stark unterbewerteten Währungen könnten langfristig Aufwertungspotenzial bieten – allerdings mit Vorbehalten, da Währungsentwicklungen von zahlreichen Faktoren abhängen. Für Unternehmen, die international tätig sind, bietet der Index Hinweise auf Preisniveaus und Kaufkraft in verschiedenen Märkten, was bei Expansionsentscheidungen hilfreich sein kann.

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