Erbe versus Vermächtnis im Fokus
Wie Sie Ihren Nachlass gestalten können
Wenn eine Person verstirbt, geht ihr gesamter Nachlass an die Erben über. Doch zwischen den Zeilen des Erbrechts verbirgt sich eine feine Unterscheidung: Was genau unterscheidet ein Vermächtnis von einer klassischen Erbschaft? Eine Frage, die sich allen aufdrängt, wenn sie für den Fall ihres Todes ihren Nachlass regeln wollen. Grundsätzlich gilt: Mit einem Vermächtnis können Sie testamentarisch verfügen, dass bestimmte Vermögensvorteile gezielt einzelnen Menschen zukommen, ohne dass diese zu Erben werden.
„Ein Erbe ist Rechtsnachfolger oder Rechtsnachfolgerin einer verstorbenen Person, im Positiven wie im Negativen“, sagt Jan Bittler, Fachanwalt für Erbrecht in Heidelberg. Das heißt, er oder sie erbt alle Besitztümer der verstorbenen Person, aber beispielsweise auch alle Schulden. Ein Vermächtnisnehmender hingegen hat auf etwas Anspruch, das der Erblasser oder die Erblasserin im Testament klar benannt hat: Das kann beispielsweise ein bestimmter Geldbetrag sein oder ein Sachgegenstand wie etwa eine Immobilie, ein Oldtimer-Fahrzeug, eine Kunstsammlung oder ein Schmuckstück. „Ein Vermächtnisnehmer ist in gewisser Hinsicht in einer komfortableren Situation, denn er muss sich beispielsweise nicht mit anderen Erben auseinandersetzen“, so Bittler, der Geschäftsführer der Deutschen Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e.V. ist.
Vermächtnis – diese Arten gibt es
Vermächtnis ist nicht gleich Vermächtnis, es gibt verschiedene Arten. Zum Beispiel:
- Vorausvermächtnis: Mit einem Vorausvermächtnis können Sie einem Erben mehr geben als den anderen. Der jeweilige Erbe oder die jeweilige Erbin ist also gleichzeitig Vermächtnisnehmer oder -nehmerin. Angenommen, Sie haben mehrere Kinder. Sie möchten, dass eines davon nach ihrem Tod mehr bekommt als die anderen. In dem Fall können Sie Ihren Nachlass zu gleichen Teilen an Ihre Kinder vererben, aber zusätzlich dem einen Kind etwa das Ferienhaus in der Schweiz als Vorausvermächtnis zukommen lassen. Diese Immobilie wird nicht auf das Erbteil des Kindes angerechnet.
- Ersatzvermächtnis: Es kann durchaus sein, dass ein Vermächtnisnehmer oder eine Vermächtnisnehmerin nicht mehr lebt, wenn das Testament eröffnet wird. Tritt dieser Fall ein, ist das Vermächtnis nicht mehr gültig. „Um sich für diesen Fall zu wappnen, gibt es das Ersatzvermächtnis“, erläutert Bittler. Im Testament könnte dann beispielsweise stehen: „Mein Neffe Lars bekommt als Vermächtnis meine Modelleisenbahn-Anlage. Sollte er vor mir versterben, geht die Anlage an seinen Sohn Paul.“
- Nießbrauchsvermächtnis: Möglich ist auch ein Nießbrauchsvermächtnis. Angenommen, es geht um eine Villa. Ein Erblasser kann nun etwa per Testament festlegen, dass seine Kinder Clara, Anton und Lea sein gesamtes Vermögen zu gleichen Teilen erben. Für die Ehefrau Amelie legt er im Testament mit einem Vermächtnis einen lebenslangen, unentgeltlichen und im Grundbuch einzutragenden Nießbrauch an der Villa fest. Das heißt: Die Ehefrau kann selbst darin unentgeltlich wohnen – oder sie vermietet die Villa und kann die Einnahmen hieraus behalten.
Welche Rechte Vermächtnisnehmer haben
Ein Vermächtnisnehmer oder eine Vermächtnisnehmerin hat das Recht, vom Erben oder von der Erbin die Übertragung des vermachten Gegenstands zu verlangen. Diesen schuldrechtlichen Anspruch muss der Vermächtnisnehmende aktiv geltend machen. Das bedeutet: „Der Vermächtnisnehmer muss auf den Erben zutreten und die Herausgabe des vermachten Gegenstandes oder Geldbetrages fordern“, erläutert Bittler. Dies erfolgt schriftlich.
Der Vermächtnisnehmende hat auch das Recht, in die für ihn oder für sie relevanten Teile der letztwilligen Verfügung einzusehen, um Ansprüche klären zu können. Ebenfalls hat er oder sie das Recht, das Vermächtnis auszuschlagen, etwa wenn mit der Annahme Schulden auf sie oder ihn zukommen.
So sieht das Schuldrecht bei einem Vermächtnis aus
Eigentlich muss eine Vermächtnisnehmerin oder ein Vermächtnisnehmer für Nachlassschulden nicht aufkommen. Aber es gibt eine Ausnahme: Handelt es sich bei dem Vermächtnis um eine noch nicht abbezahlte Immobilie, muss unter bestimmten Voraussetzungen der Vermächtnisnehmer die Raten weiter regelmäßig an die Bank zahlen. Geregelt ist dies in Paragraph 2165 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). „Erblasser können aber im Testament ausschließen, dass noch nicht getilgte Restschulen Vermächtnisnehmer übernehmen müssen“, sagt Bittler.
Vermächtnis und Steuern: Das müssen Sie wissen
„Auch auf ein Vermächtnis fallen Erbschaftsteuern an“, sagt Bittler. Die Höhe richtet sich nach dem persönlichen Freibetrag und der Steuerklasse. Der Steuerfreibetrag ist umso höher, je enger die verwandtschaftliche Beziehung ist. So sehen die Steuerfreibeträge aus
- Ehepartner können bis zu 500.000 Euro erben, ohne dass sie dafür Erbschaftsteuer zahlen müssen.
- Kinder können 400.000 Euro steuerfrei erhalten, und zwar von jedem Elternteil.
- Großeltern können ihren Enkelkindern 200.000 Euro überlassen, ohne dass der Fiskus zugreift.
- Geschwister, Nichten, Neffen und Lebensgefährten steht ein steuerlicher Freibetrag von 20.000 Euro zu.