Chart of the Week | 26.07.2019

Lieber sanieren statt neu bauen?

3 min Lesedauer 26.07.2019

Zuwanderung, Binnenwanderung und ein Trend zu kleineren Haushalten, also höherem Flächenbedarf pro Person – die Gründe für einen vor allem in vielen Großstädten überhitzten Immobilienmarkt sind vielfältig. Dem steigenden Bedarf kommt die Fertigstellung neuer Wohnungen nicht hinterher – dabei liegen zwar Genehmigungen für weitaus mehr Bauvorhaben vor, die Kapazitäten in der Baubranche sind jedoch nahezu ausgelastet.

 

Mit der (zu) geringen Zahl an Baufertigstellungen hat sich auch das Institut der deutschen Wirtschaft befasst. Dabei ging es jedoch nicht um einen Vergleich mit der Anzahl der Genehmigungen, sondern mit dem tatsächlichen Bedarf, den das IW anhand einer Reihe vorwiegend demografischer Kriterien ermittelt und prognostiziert – und das bis hinunter auf Kreisebene. So können auch örtliche Unterschiede in der Bedarfsdeckung dargestellt werden. Verglichen wurde jeweils der Jahresdurchschnitt der Fertigstellungen aus den Jahren 2016 bis 2018 mit dem Jahresdurchschnitt des errechneten Bedarfs für die Jahre 2016 bis 2020.

Wohnungsbedarf (2016-2020) und Fertigstellungen (2016-2018) pro Jahr

Der Chart zeigt Wohnungsbedarf (2016-2020) und Fertigstellungen (2016-2018) pro Jahr
Quelle: IW Köln

Für Deutschland insgesamt ermittelt das IW dabei eine Bedarfsdeckung von 83 Prozent – rund 340.000 jährlich benötigten Wohneinheiten stehen dabei etwa 280.000 Fertigstellungen pro Jahr gegenüber. Unser Chart der Woche zeigt jeweils den Höchst- und den Tiefstwert für Bundesländer, Landkreise, kreisfreie Großstädte – und für die sogenannten A-Städte, also die sieben deutschen Städte mit der größten Bedeutung für den Immobilienmarkt (Berlin, Düsseldorf, Frankfurt/Main, Hamburg, Köln, München, Stuttgart). Hier liegt bei allen sieben eine Unterdeckung vor: Für jede einzelne der A-Städte liegen die Fertigstellungen unter dem errechneten Bedarf.

 

In den kleineren Städten und vor allem in ländlichen Gegenden finden sich hingegen Überdeckungen von teilweise mehreren hundert Prozent – hier wird also voraussichtlich Leerstand produziert. Weil diese Gebiete nicht so dicht bebaut sind wie die Großstädte, ist Bauland hier noch zu bezahlbaren Preisen zu haben. Das nutzen beispielsweise junge Familien, um sich den Traum vom Eigenheim nach den eigenen Vorstellungen zu erfüllen. Nach Ansicht der IW-Ökonomen wäre es allerdings sinnvoller, in diesen Gebieten bestehende Immobilien zu renovieren oder zu sanieren. Das würde auch Kapazitäten freisetzen, um vor allem in den größeren Städten die Lücke zwischen Genehmigungen und Fertigstellungen zu verringern – und die überhitzten Immobilienmärkte dort wenigstens etwas zu entlasten.

Autor: Sebastian Franke