Alternative Wohnmodelle in Deutschland

Gemeinsam leben – aber wie?

Bauen-Wohnen 5 min Lesedauer 17.07.2023
Alternative Wohnmodelle

Als Kind bei den Eltern, während der Ausbildung im Studentenwohnheim oder in einer WG, danach gemeinsam mit Partner*in in einer Wohnung, später mit der Familie im Eigenheim – so sieht die Wohnbiografie vieler Menschen aus. Gerade der Traum vom eigenen Heim ist weiterhin stark verbreitet: Nach der 2022 durchgeführten „Wohnstudie: Eigenheimwunsch trifft auf alternative Wohnformen“ des Marktforschungsinstituts Ipsos wünschen sich 74 Prozent der 16- bis 24-Jährigen ein Leben in den eigenen vier Wänden.

Angesichts steigender Baukosten dürfte dieser Traum allerdings ein solcher bleiben – und die hohen Mieten machen das Wohnen mit viel Platz und Komfort oft nicht einfach. So passt es, dass in der Ipsos-Studie auch andere Wohnformen auftauchen: Knapp die Hälfte der Befragten kann sich demnach vorstellen, in einem Mehrgenerationenhaus zu wohnen, 41% finden das Leben in einem Ökodorf attraktiv, 39% sehen Wohnen gegen Hilfe als Möglichkeit an und mehr als ein Drittel interessiert sich für gemeinschaftliche Wohnprojekte.

Fremde zu einer Gemeinschaft zusammenbringen

„Gerade in Großstädten gibt es wieder eine Rückbesinnung auf Strukturen, die wir von der klassischen Großfamilie kennen“, sagte Trendforscher Tristan Horx vom Zukunftsinstitut schon im Jahr 2020.  Einen guten Überblick gibt das Buch „Zusammen! Wie Deutschland neues Wohnen ausprobiert“. Darin beleuchtet der Journalist Lennart Herberhold ganz unterschiedliche Projekte – vom solidarischen Dorf im niedersächsischen Wendland über eine Hausgemeinschaft in Marburg bis hin zu Projekten, die ganz neue Arten von Wohnungen entwerfen.

Warum Wohnprojekte so attraktiv sind, liegt auf der Hand: Wenn man sich die Miete teilt oder gleich gemeinsam baut, liegen die Kosten auf mehreren Schultern. Gleichzeitig kann man sich gemeinsam auch mehr Komfort leisten – zum Beispiel mit einer Werkstatt für alle, großen Gemeinschaftsräumen für Feiern und Aktivitäten oder auch Gästezimmern für Besucher*innen. „Gleichzeitig muss man aber auch prüfen, wieviel Nähe und Gemeinschaft man wirklich möchte“, sagt Herberhold in einem Podcast des Deutschlandfunks. Denn wo viele Menschen zusammenkommen, gibt es auch Konflikte, die ausgetragen werden müssen.

Vorsicht bei kommerziellen Angeboten

Die schwierige Lage auf dem Wohnungsmarkt vor allem in Großstädten hat in letzter Zeit auch einige kommerzielle Anbieter hervorgebracht. Sie bringen Fremde, die das Studi-Leben in einer WG längst hinter sich haben, aus unterschiedlichen Altersklassen und Zielgruppen in „Co-Living-Spaces“ zusammen.

Beispiel: In Berlin gibt es das Projekt „I live“. Hier sind Studierende, Pendler*innen und alle, die neu in der Stadt sind, willkommen. Geboten werden neben voll eingerichteten Appartements sogenannte Community Areas – etwa eine Eventküche, ein Fitnessraum oder eine Dachterrasse. So können sich Mieter*innen einerseits am Gemeinschaftsleben im Haus beteiligen, andererseits bei Ruhebedarf sich in ihren vier Wänden zurückziehen.

Solche alternativen Wohnformen sind allerdings oft wesentlich teurer als andere Wohnformen. „Je nach Stadt und Angebot kostet der Quadratmeter für ein vollmöbliertes Zimmer zwischen 20 und 50 Euro“, sagt der Potsdamer Wirtschaftswissenschaftler Daniel Fuhrhop. Da könne ein 12 bis 14 Quadratmeter großes Zimmer durchaus zwischen 500 und 1.000 Euro kosten. Die hohen Preise hingen damit zusammen, dass Co-Living-Anbieter ein Schlupfloch in der Gesetzgebung nutzten: „Sie sind ein hotelähnlicher WG-Betrieb, sodass Mietbegrenzungen oder Mietpreisbremsen für sie nicht gelten“, so Fuhrhop.

Alternative Wohnmodelle – was es sonst noch gibt

  • Hofgemeinschaften: Menschen tun sich zusammen und ziehen – nicht zuletzt wegen der rasant gestiegenen Mieten in Städten – aufs Land. Dort erwerben sie gemeinschaftlich einen Hof als Haus, den viele auch zusammen modernisieren und ausbauen. Oft spielt dabei der Nachhaltigkeitsgedanke eine Rolle. Gemüse und Obst bauen die Bewohner*innen selbst an, viele nutzen zudem Solarenergie.
  • Wohnen gegen Hilfe: Bei diesem alternativem Wohnmodell ziehen etwa Studierende bei Älteren ein und unterstützen sie gelegentlich im Alltag. Die Studierenden bügeln beispielsweise die Wäsche, erledigen die Einkäufe oder begleiten die Älteren in eine Arztpraxis. Im Gegenzug wohnen die Studierenden mietfrei. Nach einem ungefähren Richtwert gibt es pro Quadratmeter eine Stunde Hilfe im Monat.
  • Beginenhöfe: Bei dieser Variante von alternativen Wohnmodellen schließen sich ledige Frauen sowie Witwen zu Hausgemeinschaften zusammen – Männer sind nicht dabei. Diese Wohnform gibt es bereits seit dem 12. Jahrhundert. Der Dachverband Beginen e.V. informiert, wo es überall Beginenhöfe in Deutschland gibt.

Senioren-WG – im Alter mit anderen zusammenleben

Hier gibt es zwei unterschiedliche Formen: Entweder wird die Senioren-WG von den Bewohner*innen selbst oder von einem Anbieter arrangiert. Kümmern sich die älteren Menschen selbst, sind sie verantwortlich für Hausordnung, Kostenteilung und das Organisieren von Pflege – Angehörige können sie dabei unterstützen.

Der Vorteil einer selbstorganisierten WG: Diese Form ist flexibler, staatliche Kontrollmechanismen wie Regelprüfungen entfallen. Ältere Menschen, die auf ein Angebot der Service-Dienstleister setzen, wohnen in der WG zur Miete. Pflegeleistungen unterliegen schärferen gesetzlichen Restriktionen.

Was in Sachen Senioren-WG zu beachten ist

Gemeinsam weniger einsam: Für ältere Menschen kann es attraktiv sein, mit anderen Menschen zusammenzuwohnen. Allerdings sollten alle, die lange Zeit allein gewohnt haben, nicht kopflos eine Senioren-WG gründen, überstürzt in ein Zimmer eines Mehrgenerationenhauses ziehen oder sich vorschnell an einer Baugemeinschaft beteiligen. Man muss der Typ dafür sein.

Hinweis: Ob Sie ein „gemeinschaftlicher Wohntyp“ sind oder nicht, können Sie mithilfe eines Fragebogens herausfinden, den das Netzwerk Frankfurt gemeinschaftliches Wohnen anbietet. Weitere Infos bietet der Bundesverband Forum Gemeinschaftliches Wohnen.

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