Impostor-Syndrom überwinden
Wie dies gelingen kann
Der Umgang mit Geld gehört zum Alltag – und viele sind darin auch sehr geschickt. Dennoch fühlen sich manche nicht kompetent genug, um größere finanzielle Entscheidungen wie etwa ein Investment in Aktien zu treffen – obgleich für solche Selbstzweifel objektiv kein Grund besteht. Die Rede ist vom sogenannten finanziellen Impostor-Syndrom.
- Das ist das finanzielle Impostor-Syndrom: „Beim finanziellen Impostor-Syndrom, auch bekannt als Hochstapler-Syndrom, geht es darum, dass manche Menschen trotz Kompetenz und Stärken in Finanzdingen, das Gefühl haben, nicht qualifiziert zu sein, um Entscheidungen rund ums Geld zu treffen. „Ihre Erfolge in diesem Bereich sehen sie als Glücksfall, Zufall oder Betrug an“, erläutert der Psychologe Florian Becker, Autor des Buches „Positive Psychologie: Wege zu Erfolg, Resilienz und Glück“. Ihr Selbstwertgefühl ist derart gering, dass sie Angst haben, als Hochstapler entlarvt zu werden.
Welche Auswirkungen Selbstzweifel auf die finanzielle Gesundheit haben
Ein Beispiel: Manche sind clever mit dem Geld, das ihnen monatlich zur Verfügung steht, umgegangen – und am Ende blieb mehrere Monate in Folge sogar ein ordentliches Plus übrig. Doch statt diesen Erfolg auf ihre Kompetenz in Finanzdingen zurückzuführen, glauben Menschen mit dem Impostor-Syndrom, nicht gut genug zu sein. Sie denken, sie hätten aus purem Zufall und günstigen Fügungen mit dem Geld so klug haushalten können.
„Die Folge kann sein, dass Menschen mit einem finanziellen Impostor-Syndrom hinter ihren finanziellen Möglichkeiten weit zurückbleiben“, sagt Becker. Es kommt vor, dass sie sich nicht trauen, erspartes Geld gewinnbringend zu investieren und es so langfristig zu vermehren.
Die ständige Angst vor Entlarvung und das Gefühl, in Finanzdingen „nicht gut genug“ zu sein, können zu
- Stress,
- Angstzuständen oder
- Depressionen
führen.
Woher kommt das Impostor-Syndrom?
Das finanzielle Impostor-Syndrom kann verschiedene Ursachen haben. Zu den häufigsten zählen:
- Hang zu Perfektionismus: „Oft ist das Impostor-Syndrom auf Angst oder Hemmungen zurückzuführen“, sagt Becker. Betroffene wollten alles perfekt machen und fürchten, dass ihnen gravierende Fehler unterlaufen könnten.
- Fixed Mindset: Menschen mit einem Fixed Mindset führen ihren Erfolg oder Misserfolg auf Dinge zurück, die sie nicht ändern können – etwa gesellschaftliche Privilegien oder Benachteiligungen, Zufall oder Glück. „Das demotiviert sie, da sie sich selbst, ihre Anstrengungen oder Entscheidungen nicht als wesentlichen Einfluss wahrnehmen“, erläutert der Psychologe. Wichtig sei, ein Growth Mindset zu entwickeln, bei dem Menschen sich selbst als zentrale Ursache für Erfolg in ihrem Leben wahrnehmen.
- Kindheitserfahrungen: Mitunter steckt hinter dem Impostor-Syndrom das Gefühl aus der Kindheit, hohen Erwartungen der Eltern gerecht werden zu müssen. Weil sie glauben, dies nicht zu können, halten sie sich zurück.
- Neurotizismus als Persönlichkeitsmerkmal: Bei Neurotizismus handelt es sich um ein Persönlichkeitsmerkmal – jemand hat generell eine Tendenz zu Angst, Sorge und Unsicherheit. Dadurch kann das finanzielle Impostor-Syndrom zusätzlich einen Schub bekommen.
Frauen sind oft eher vom Impostor-Syndrom betroffen als Männer
„In vielen Haushalten in Deutschland sind Dinge rund ums Geld immer noch Männersache“, sagt Becker. Das führt dazu, dass Frauen sich in Finanzfragen zwar auskennen – aber weil sie so geprägt sind, dass Geld nicht ihre Angelegenheit, sondern die des Vaters, des Ehemannes oder des Lebensgefährten ist, fühlen sich Frauen rund um Finanzen oft nicht kompetent.
Ein weiterer Aspekt ist die finanzielle Bildung. Hierbei schneiden Frauen weltweit in der Tendenz schlechter ab als Männer. Allerdings lässt sich ein Teil der Geschlechterunterschiede in Sachen Finanzbildung auf mangelndes Selbstvertrauen zurückführen und nicht allein auf fehlendes Wissen. Das jedenfalls zeigt eine aktuelle Studie des Mannheimer Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW).
Wie sich das Impostor-Syndrom überwinden lässt
„Im ersten Schritt sollte man sich eingestehen, dass man das finanzielle Impostor-Syndrom hat und dass die Selbstzweifel an den eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen nicht der Wirklichkeit entsprechen“, sagt Wirtschaftspsychologe Becker. Weitere Schritte:
- Erfolgserlebnisse sammeln: Vergegenwärtigen Sie sich Ihre Erfolge. Man kann zum Beispiel erst einmal mit einem vergleichsweise geringen Betrag in Aktien investieren und so Erfahrungen sammeln. „Wer sieht, dass dies immer besser klappt und das Investment sogar eine Rendite abwirft, sollte sich diesen Erfolg vergegenwärtigen“, so Becker.
- Mentoren oder Vorbilder suchen: Suchen Sie sich einen Menschen, der Sie in Finanzdingen unterstützt und berät. Oder vielleicht gibt es auch jemanden, den oder die Sie sich in Sachen Geld als Vorbild nehmen können.
- Stärken und Kompetenzen zeigen: Seien Sie selbstbewusst. Scheuen Sie sich nicht zu zeigen, dass Sie im Umgang mit Geld ausgeprägte Stärken und Kompetenzen haben. Reden Sie übers Thema Geld mit der Familie und im Freundeskreis. „Bislang wird in unserer Kultur leider immer noch sehr wenig über Geld gesprochen“, so Becker.
- In finanzielle Bildung investieren: Nehmen Sie an Online-Kursen und Seminaren teil und informieren Sie sich so über verschiedene Möglichkeiten eines Investments. Lesen Sie Bücher und den Wirtschaftsteil Ihrer Tageszeitung. Und lassen Sie sich von unabhängigen Fachleuten beraten, bevor Sie Geld investieren.