Der Strommarkt unter der Lupe
So entstehen die hohen Strompreise
Viele Deutsche blicken derzeit mit Sorge auf ihre Stromrechnung. Denn der Strompreis ist in diesem Jahr regelrecht explodiert: Eine Kilowattstunde Strom kostete durchschnittlich bei einem Jahresverbrauch von 4.000 Kilowattstunden im Oktober 2022 rund 53 Cent. Ein Jahr zuvor waren es noch rund 31 Cent. Das zeigt eine Analyse des Vergleichsportals Verivox.
Doch warum ist Strom gerade so teuer? Wie entsteht der Strompreis eigentlich? Und wie sieht der Strommarkt der Zukunft aus? Darüber haben wir mit zwei Experten gesprochen.
So funktioniert der Strommarkt
Um zu verstehen, woher die hohen Strompreise kommen, muss man sich zunächst den Strommarkt etwas genauer anschauen. „Der Strommarkt in Deutschland ist ein sogenannter Energy-Only-Markt. Das bedeutet, dass nur der tatsächlich erzeugte Strom vergütet wird”, erklärt Johannes Bogner vom Beratungsunternehmen Energy Brainpool. Der Marktpreis für Strom ergebe sich aus Angebot und Nachfrage. Dabei werden laut Bogner durchschnittliche Einspeisungen ins Stromnetz beziehungsweise Strombezüge aus dem Stromnetz für jede Viertelstunde gehandelt. Das geschieht zum einen an der Strombörse und zum anderen direkt bei sogenannten Over-the-Counter-Geschäften. Dort kaufen auch Stromanbieter ein, die den Strom dann an deutsche Haushalte liefern.
Beim Stromhandel gibt es grundsätzlich zwei Systeme:
- Langfristige Strompreise: Auf dem Terminmarkt werden Stromlieferungen bereits mehrere Jahre im Voraus gehandelt. „So können sich beide Seiten bereits im Vorhinein Preisniveaus absichern und für die Zukunft mit einem bestimmten Strompreis planen“, sagt Bogner. Das geschieht an der Leipziger Strombörse European Energy Exchange (EEX).
- Kurzfristige Strompreise: Auf dem sogenannten Spotmarkt hingegen werden Stromlieferungen für den nächsten Tag gehandelt. Hier können Anbieter kurzfristig ihre benötigten Mengen an Strom kaufen oder verkaufen. Die European-Power-Exchange-Börse befindet sich in Paris.
Wie setzt sich der Strompreis zusammen?
Der Strompreis für Haushalte besteht aus drei wesentlichen Blöcken:
- Kosten für Beschaffung und Vertrieb
- Netzentgelte und Messung
- Steuern, Abgaben und Umlagen
Somit bestimmt nicht nur der Preis an der Strombörse den endgültigen Strompreis, sondern zum Teil auch der Staat. Denn dieser legt Abgaben, Steuern und Umlagen fest. Übrigens: Seit 1. Juli 2022 gibt es die sogenannte EEG-Umlage nicht mehr. Damit sparen Stromkunden und -kundinnen 3,72 Cent pro Kilowattstunde.
Warum ist Strom gerade so teuer?
„Der Hauptgrund liegt beim Gaspreis“, sagt Thomas Engelke vom Team Energie und Bauen des Verbraucherzentrale Bundesverbands und erklärt den Sachverhalt wie folgt: In Deutschland werde der Strom aus verschiedenen Energiequellen gewonnen: aus erneuerbaren Energien, Kohlekraftwerken, Atomkraftwerken und einigen wenigen Gaskraftwerken. Letztere produzierten den Strom am teuersten. Und „da wir in Deutschland das sogenannte Merit-Order-Prinzip haben, bestimmt das teuerste Kraftwerk den gesamten Strompreis“. Diesen Preis können dann auch die anderen Anbieter verlangen – auch wenn beispielsweise Windkraftwerke den Strom eigentlich wesentlich günstiger produzieren. „Gaskraftwerke kommen nur in Zeiten besonders knappen Angebots beziehungsweise hoher Stromnachfrage zum Einsatz. In jeder Stunde, in denen wir Gaskraftwerke einsetzen, wirkt sich der Gaspreis deshalb auf den Strompreis aus”, stellt Bogner fest.
Es gibt noch einen weiteren Faktor, der den Strom laut Engelke im kommenden Jahr verteuern könnte: Die Netzentgelte für Strom und Gas sollen erheblich erhöht werden; Verivox zufolge um rund 19 Prozent. „Die Bundesregierung will hier aber eingreifen und den Anstieg zu einem Teil abfangen”, sagt der Experte.
- Achtung: Die Verbraucherzentrale warnt derzeit davor, den Stromanbieter vorschnell zu wechseln. In vielen Städten gibt es dadurch kein oder nur ein sehr geringes Einsparpotenzial. Weitere Infos zur Tarifsuche und Anbieterwechsel gibt es hier.
Raus aus der Stromkrise – aber wie?
Das sogenannte Strommarktdesign beschreibt, wie der Strommarkt organisiert ist. Nach Einschätzung der Energieexperten von Energy Brainpool wird das Merit-Order-Modell auch in Zukunft weiter eine wichtige Rolle spielen. Doch um deutsche Haushalte zu entlasten, will die Politik das Strommarktdesign überarbeiten. „Derzeit machen viele Betreiber der Kraftwerke hohe Gewinne. Das muss sich in Zukunft ändern“, erklärt Engelke. Auf EU-Ebene ist ein Strompreisdeckel geplant, der in Deutschland aber noch umgesetzt werden muss. Das Geld kann dann an die Endverbraucher zurückerstattet werden. Dafür will die Bundesregierung eine Strompreisbremse einführen. Wichtige Infos dazu gibt es auch in diesem Artikel.
Studie: Erneuerbare Energien als möglichen Ausweg
Der Ausbau erneuerbarer Energien ist ein wichtiger Bestandteil der Energiewende. Hier sehen Experten einen möglichen Ausweg aus der Stromkrise: Eine Studie, die Energy Brainpool im Auftrag von GP Joule erstellt hat, untersucht, wie sich die Strompreise in Deutschland mit zusätzlichen 20 Gigawatt Windenergie an Land und 30 Gigawatt-Solarenergie entwickelt hätten. Das Ergebnis: Der Strompreis wäre im Schnitt pro Monat um 12 bis 24 Prozent niedriger gewesen. „Je mehr erneuerbare Energien und Speicher wir ausbauen und je mehr wir unsere Stromnachfrage in windige und sonnige Zeiten verlagern, desto weniger häufig benötigen wir Gaskraftwerke und desto günstiger wird der Strompreis”, erklärt Bogner.