Vorsicht bei zu einfachen Finanztipps

Wann Faustregeln nicht funktionieren

Spartipps 4 min Lesedauer 06.06.2024

Faustregeln machen das Leben einfacher. Doch nicht immer sollte man ihnen blind folgen – vor allem dann nicht, wenn es um wichtige Themen wie die eigenen Finanzen geht. Denn spätestens bei Verallgemeinerungen wie „Wer diese drei Tipps befolgt, macht ein Vermögen“ sollte man hellhörig werden. „Faktoren wie Einkommen, Ausgaben, finanzielle Verpflichtungen, Risikobereitschaft, Lebensstil, Altersvorsorgebedürfnisse und persönliche Ziele beeinflussen die finanzielle Planung maßgeblich“, erklärt Ania Scholz-Orfanidis von der FMH-Finanzberatung in Frankfurt am Main. So könne eine pauschale Empfehlung sogar schädlich sein.

Bullshit Bingo: Vorsicht bei diesen Floskeln

Ein Beispiel für eine gängige Faustregel: Man sollte stets einen bestimmten Prozentsatz vom Einkommen sparen. Oft ist die Rede von der 50-30-20-Regel: 50% des Nettoeinkommens für Fixkosten, 30% für persönliche Bedürfnisse – und 20% zum Sparen. Die Realität sieht jedoch oft anders aus: „Für Menschen mit niedrigem Einkommen oder hohen unvermeidbaren Ausgaben ist das oft nicht realistisch“, sagt Scholz-Orfanidis. So hat das Statistische Bundesamt im vergangenen Jahr mitgeteilt, dass 3,1 Millionen Haushalte eine Mietbelastung von 40% und mehr hatten. 1,5 Millionen Haushalte gaben sogar mindestens die Hälfte ihres Einkommens fürs Wohnen aus. Viel Geld zum Sparen bleibt da wenig übrig.

Einen weiteren Tipp, den man gern am Stammtisch hört: „Bloß keine Schulden machen!“ Dabei sind Schulden nicht gleich Schulden und es gibt etwa einen großen Unterschied zwischen Investitions- und Konsumschulden. Wer beispielsweise in eine Weiterbildung oder in ein Eigenheim investiert, kann daraus später unter Umständen einen Mehrwert ziehen, wenn sich die Investition bezahlt macht.

Apropos Eigenheim: Obwohl oft geraten wird, ein Haus oder eine Wohnung zu kaufen, anstatt zu mieten, geht diese Verallgemeinerung ebenfalls nicht immer auf. Tatsächlich lebten laut Eurostat im Jahr 2022 nur rund 47% der deutschen Haushalte in einem Eigenheim, während knapp 53% zur Miete wohnten. Laut Finanzexpertin Ania Scholz-Orfanidis könne das Wohnen zur Miete in einigen Situationen sogar sinnvoller sein, etwa dann, wenn man häufig umziehe oder der Immobilienmarkt überbewertet sei.
 

Fragwürdige Ratschläge von „Finfluencern“

Wenn es um Finanztipps geht, gibt es noch einen anderen Aspekt, der vor allem durch das Aufkommen von Social Media an Bedeutung gewonnen hat: Tipps von Finanz-Influencern, sogenannten „Finfluencern“. Eine Studie des Swiss Finance Instituts aus dem Jahr 2023 zeigt, dass sich unter den selbsternannten Expertinnen und Experten so einige schwarze Schafe verbergen. Laut der Untersuchung, die sich 29.000 „Finfluencer“ genauer anschaute, sind nur 28% qualifiziert. Im Gegensatz dazu seien 16% unqualifiziert. Und wer den Tipps von 56% der „Finfluencer“ gefolgt wäre, hätte sogar Geld verloren.

Individuelle Lösungen finden: So geht’s

Finanzen sind so individuell, dass es oft keine Einheitslösung gibt. Deshalb ist es wichtig zu erkennen, was für einen selbst funktioniert – und was nicht. Diese Schritte helfen dabei, fundierte Entscheidungen zu treffen:
 

  • Ziele und Wünsche festlegen: Dazu gehören laut Scholz-Orfanidis kurz-, mittel- und langfristige Ziele, wie beispielsweise der Kauf eines Hauses, Bildungskosten, Altersvorsorge oder Reisen.
  • Eigene Finanzen analysieren: Ob Einkommen, Ausgaben oder vorhandene Schulden: Am Anfang steht die genaue Kenntnis der eigenen finanziellen Situation.
  • Lebensumstände beachten: Es gibt viele Faktoren, die bei finanziellen Entscheidungen eine wichtige Rolle spielen. Ania Scholz-Orfanidis zufolge zählen dazu Familienstand, Kinder, Berufssicherheit und der eigene Gesundheitszustand.
  • Individuelle Risikobereitschaft erkunden: Während manche sich für eine konservative Anlagestrategie entscheiden, sind andere offen für größere Risiken. „Wie viel Risiko jemand bereit ist einzugehen, kann die Wahl der Investitionen stark beeinflussen“, so Expertin Scholz-Orfanidis.
     

Faustregeln bieten Orientierung

Auch wenn viele pauschale Regeln nicht immer ratsam sind, sollten sie nicht komplett verteufelt werden. „Faustregeln können hilfreich sein, wenn sie als Ausgangspunkt oder allgemeine Orientierung dienen“, findet Scholz-Orfanidis. So seien sie etwa für Menschen nützlich, die gerade erst anfangen, sich mit der eigenen Finanzplanung zu beschäftigen. Wichtig laut Expertin: „Faustregeln immer flexibel handhaben und an die eigenen Bedürfnisse anpassen.“

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