Schneeball- und Pyramidensysteme

Erfolgsgaranten oder Betrug?

Finanzwissen 5 min Lesedauer 18.06.2024

Auf Social Media kursieren reihenweise Reels und Beiträge mit ähnlichem Sound: Jemand erzählt, die ultimative Methode gefunden haben, schnell reich zu werden – auch nebenberuflich. Mehrere Tausend Euro seien drin, ohne viel Aufwand. Was man dafür tun muss? Erstmal: In eine Gruppe kommen, eine Direktnachricht (DM)­­ schreiben, ein Treffen vereinbaren. Denn einfach so verraten die angeblich schnell reich Gewordenen ihr Geheimnis dann doch nicht.

Dass mit solchen Anwerbemethoden in der Regel etwas nicht stimmt, hat auch der TikToker Levi Penell in seinem viral gegangenen Reel erklärt. Bei den Schneeball- oder Pyramidensystemen, auch Multi-Level-Marketing (MLM) oder Network-Marketing genannt, geht es vordergründig darum, Produkte oder Dienstleistungen zu verkaufen – von Kosmetik über Haushaltgeräte, Gesundheitsprodukte, Nahrungsergänzungsmittel bis zur Finanzberatung ist so ziemlich alles möglich. Der erste Haken ist allerdings, dass man diese – meist vergleichsweise teuren – Produkte erst einmal selbst kaufen und/oder kostspielige Seminare belegen und/oder Mitgliedsbeiträge zahlen muss. Der zweite Haken: Man kann die durch den Verkauf erzielten Gewinne nicht behalten, sondern muss einen Teil davon an das Unternehmen als Provision abgeben.

So funktionieren Pyramidensysteme

Ein solches Geschäftsmodell ist aufgebaut wie eine Pyramide: Unten stehen sehr viele Menschen, oben nur noch einer. Die vielen Menschen ganz unten geben jeweils Anteile ihres verdienten Geldes an alle oberen ab, sodass die jeweils Höherstehenden immer und immer mehr bekommen.

Und wie kommt man selbst nach oben? Indem man andere anwirbt – die stehen dann nämlich unter einem selbst und müssen entsprechend Provision zahlen. Im Grunde geht es gar nicht in erster Linie darum, Produkte oder Dienstleistungen zu verkaufen, sondern darum, dass so viele wie möglich mitmachen. Denn dann kann in dem System wirklich Geld verdient werden – nämlich von denen, die oben stehen.

„Die Chancen im Lotto zu gewinnen, sind höher als die, mit Network Marketing wohlhabend zu werden“, weiß Claudia Gross, Assistant Professor Organisational Design and Development an der Radbout-Universität im niederländischen Nimwegen. Sie befasst sich seit vielen Jahren mit dem Phänomen, und zitiert im Deutschlandfunk eine US-Studie, die zeigt, dass die große Mehrheit der Network-Marketer Geld verliert anstatt den versprochenen Reichtum zu erlangen.

Große Versprechungen, wenig Ertrag

„Die Einkommenspyramide sieht so aus, dass eigentlich jedem Neuling sofort gesagt wird, wie hoch es geht. Dass ein Provisionsschema vorgelegt wird mit tollen Einkünften von 10.000 bis 150.000 Euro pro Monat. Was nicht gesagt wird, ist aber, wie wenige das jemals erreichen. Nämlich einer von 30.000 oder 40.000. Dieses Werben mit solchen Versprechen, solchen theoretischen Modellen, die beinahe für niemanden gelten, ist sehr unethisch“, resümiert Gross.

Gleichzeitig sorgt die Investition in die teuren Produkte oder Kurse für Verkaufsdruck. Da wird dann gerne der Freundes- und Bekanntenkreis angesprochen – und schlimmstenfalls das nächste Opfer mit in die Betrugsmasche hineingezogen.

Schneeballsysteme: betrügerische Investment-Angebote

Eine besondere Form sind Schneeballsysteme, bei denen es nicht ums Verkaufen, sondern darum geht, Geld zu investieren. Ein berühmtes Beispiel ist der US-amerikanische Finanz- und Börsenmakler Bernard „Bernie“ Madoff, der in den letzten Jahrzehnten des 20 Jahrhunderts Tausende Anlegerinnen und Anleger um insgesamt rund 18 Milliarden Dollar gebracht hat. Seine Masche: Geld einsammeln, es angeblich sehr lukrativ anlegen, und die Investierenden mit dem Geld der anderen auszahlen. Damit dieses System funktionieren konnte, mussten ständig neue Geldgeberinnen und Geldgeber einsteigen. Als aber einer seiner Kunden mehrere Milliarden zurückforderte, flog das System auf.

Madoff wurde 2009 zu 150 Jahre Gefängnis verurteilt, er starb 2021 in Haft. Die Betrugsmasche wird auch Ponzi-Schema genannt – nach dem Trickbetrüger Charles Ponzi, der in den 1910er-Jahren ebenfalls Anlegende um Hunderte Millionen US-Dollar erleichterte. Sie ist auch heute noch bei Kriminellen beliebt. Diese versprechen unrealistisch hohe Renditen und fordern ihre Investoren auf, immer neue Anleger anzuwerben.

Red Flags: Finger weg bei solchen Angeboten

Woran erkennt man nun, dass ein vielversprechendes Investmentangebot in Wirklichkeit ein Schneeball- oder Pyramidensystem ist? Das Verbraucherportal Biallo rät, unter anderem diese Punkte zu prüfen:
 

  • Werden bei einem Investment ungewöhnlich hohe Renditen versprochen? Bei mehr als zehn Prozent sollte man auf jeden Fall die Finger davon lassen.
  • Ist das Produkt, das Sie verkaufen sollen, wirklich so gut? Ist der hohe Preis angemessen?
  • Sollen Sie Personen aus Ihrem Umfeld ebenfalls dazu bringen, mitzumachen?
  • Sollen Sie vorab viel Geld in Produkte, Seminare oder andere Beiträge investieren?
  • Sollen Sie Geld ins Ausland überweisen?
  • Ist das Unternehmen seriös? Hat die Website ein vollständiges Impressum, sind die Angaben darin stimmig? Haben andere bereits (schlechte) Erfahrungen mit dem Unternehmen gemacht?
  • Wirkt das Unternehmen „sektenartig“? Gibt es große interne Verkaufsshows, bei denen Produkte übermäßig verherrlicht und erfolgreiche Verkäufer gefeiert werden? Ist die Hierarchie besonders ausgeprägt und wird geradezu zelebriert (Auszeichnungen, Orden, interne Clubs, teure Geschenke und Privilegien für Aufsteiger)?

Auch wenn immer wieder die Schlagwörter „Sei Dein eigener Chef“, „Schluss mit 9 to 5“, „passives Einkommen“ und „Bau Dir was auf“ fallen, sollte man hellhörig werden.

Und nicht vergessen: Wenn etwas es zu schön klingt, um wahr zu sein, ist es wahrscheinlich auch nicht wahr. Oder, wie Levi es formuliert: „Das versteht doch ein Drittklässler, dass, wenn jemand wirklich ‘ne Methode gefunden hat, um reich zu werden, er dir das nicht einfach auf Social Media erzählt, so auf Ehrenbruderbasis.“

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